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Die Stunde des Löwen

Die Stunde des Löwen

Titel: Die Stunde des Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Köhl
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Gefasel abgetan hatte. Sollte am Ende tatsächlich stimmen, was sie ihm am Vortag in ihrem Hexenhäuschen anvertraut hatte? Dass Amelie Bruckners dunkles Geheimnis darin bestand, mit einem wesentlich jüngeren Mann Sex zu haben, der aussah wie ein Schauspieler aus der »Schwarzwaldklinik«? Für den Fall stellte sich die Frage, wer dieser Schönling war. Lediglich ein Callboy, für den sie bezahlte, oder ein Liebhaber im romantischen Sinn?
    Einen blonden Beau mit Ödipuskomplex vor Augen, überlegte Fremden, ob die Liebesbeziehung nicht schon existiert haben könnte, als Hugo Bruckner noch gelebt hatte. Dann hätte der Ehemann dem Glück eventuell im Wege gestanden. Ein Leichtes, daraus ein Tatmotiv abzuleiten. Doch ob es sich bei der Affäre um Liebe gehandelt hatte, konnte heute nur noch der junge Mann aufklären. Und wie sollte er den ausfindig machen, nach all den Jahren?
    Wenige Schritte vor dem Eingang zum »MyZeil« merkte Fremden, dass ihn die lange Wanderung durch die Stadt ausgekühlt hatte. Um sich ein wenig aufzuwärmen, ließ er sich im Erdgeschoss der architektonisch avantgardistischen Shoppingmall auf einem der Relax-Steine nieder. Auf dem daneben hockte ein bärtiger Mann, der eine Nickelbrille trug und ein Transistorradio auf dem Schoß hatte. Aus dem Lautsprecher des altertümlichen Geräts erklang eine Suchmeldung der Polizei. Eine Frau mit fremdländischem Namen wurde vermisst. Zeugen, die etwas über ihren Aufenthaltsort sagen konnten, sollten sich umgehend bei der nächsten Polizeidienststelle melden.
    Die gigantische, bis in die oberste Etage führende Rolltreppe im Blick, versuchte Fremden, das erste Gespräch, das er mit Klaus Bruckner in Bad König geführt hatte, zu rekapitulieren. Soweit er sich erinnerte, hatte ihm Bruckner berichtet, seine Mutter habe auf dem Sterbebett Andeutungen gemacht, ihr Mann sei an seinem Todestag in den See gestoßen worden. Warum hatte die Frau ihren Verdacht, dass es sich um Mord handelte, nicht schon viel früher geäußert? Dass sie über sechs lange Jahre damit gewartet hatte, ließ, genau betrachtet, eigentlich nur zwei mögliche Erklärungen zu. Erstens: Es gab überhaupt keine derartige Beobachtung, und sie hatte das unter dem Einfluss von Schmerzmitteln nur phantasiert. Oder zweitens: Sie konnte den Mord an ihrem Mann tatsächlich bezeugen, hatte dies aber erst kurz vor ihrem Tod sagen können, weil …
    Mit einem Sprung war Fremden auf den Beinen.
    Â»Weil sie sich sonst selbst belastet hätte«, rief er laut aus und hastete auf den Ausgang zu.
    * * *
    Im ersten Stock der Gründerzeitvilla geleitete Rosen Mannfeld und Born durch das Wohnzimmer zu einer Sitzgruppe, die von einem dunklen Teakholztisch dominiert wurde. An diesem Nachmittag trug der Konzertmanager einen anthrazitfarbenen Anzug und ein weißes Hemd, dessen oberster Knopf offen stand.
    Â»Es tut mir leid, dass Sie mich nicht früher erreichen konnten, aber ich hatte heute Morgen einen wichtigen Termin außer Haus.« Mit einer einladenden Geste deutete er auf die bequem wirkenden Kolonialstilsessel und bat sie, Platz zu nehmen. »Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?« Rosen schaute sie fragend an.
    Â»Danke. Das ist nicht nötig«, antwortete Mannfeld – auch stellvertretend für den Kollegen Born, der sich nach ihrem Geschmack eine Spur zu lässig im Sessel fläzte und an einem von der Armlehne abstehenden Halm des Korbgeflechts herumzupfte, statt Gesprächsbereitschaft zu signalisieren. Dass er nach eigenem Bekunden zum Umfallen müde war, wunderte sie nicht. Lagen doch eine hektische Nacht und ein nicht minder hektischer Vormittag hinter ihnen. Gestern in den späten Abendstunden hatten sie Fátima de Zosa zur Fahndung ausgeschrieben, danach die lokalen Medien kontaktiert und sie in die Suche einbezogen. Seit dem frühen Morgen brachte der Hessische Rundfunk im Halbstundentakt die Vermisstenmeldung. Von Susana Rossi hatten sie erfahren, dass Fátima de Zosa die Tage vor ihrem Verschwinden in einer Klinik verbracht hatte. Da Gefahr im Verzug zu sein schien, hatte sich die Kriminaltechnik die Wohnung in der Fahrgasse noch in der Nacht vorgenommen. Vor wenigen Stunden hatten sie von den Kollegen eine mündliche Auswertung der Spurensuche erhalten. Das Fazit: Es existierte nicht der geringste Anhaltspunkt dafür, dass Fátima de Zosa

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