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Die Stunde des Raben

Die Stunde des Raben

Titel: Die Stunde des Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Pfeiffer
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    »Dann bin ich dafür, dass wir in die Bibliothek gehen«, ertönte Filines Stimme aus ihrem Pharaoninnenbett. »Ich möchte nämlich noch mehr über die Königin erfahren. Aber bevor wir überhaupt etwas machen, könntet ihr beide bitte mal für fünf Minuten aus meinem Zimmer gehen?«
    »Wieso scheuchst du uns denn weg?«, begehrte No auf. »Musst du jetzt erst mal alleine die Sonne anbeten oder was?«
    Filine funkelte ihn an. »Nein, aber ich will mich waschen!«
    »Ah …« No wurde rot. »Okay, dann, äh, warten wir draußen.«
    Er zog Rufus mit sich vor die Tür.
    Als Filine fertig war, kam sie raus.
    »Ihr könnt jetzt wieder rein.«
    »Was sollen wir denn da?«, rief No. »Ich dachte, wir gehen jetzt in die Bibliothek!«
    »Aber davor wascht ihr euch ja wohl noch!« Filine rümpfte die Nase.
    No stöhnte auf. »Mann, du bist ja strenger als meine Oma. Wenn du danach auch noch kontrollieren willst, ob ich keine Dreckränder am Hals und hinter den Ohren habe, werde ich demnächst mal eine leckere Schwefel-Senf-Seife erfinden, dann wird dir das schon noch vergehen.«
    Aber trotzdem trottete er brav mit Rufus zurück in Filines Zimmer.
     
    Kurz darauf saßen die drei mit gebeugten Köpfen in der Bibliothek, und das Geräusch umgeblätterter Seiten erfüllte das Halbdunkel zwischen den hohen Regalen. Darüber wirbelten Staubkörner in den wenigen Strahlen des frühen Sonnen lichts.
    Rufus war der Erste, der aufgeben musste. Im gesamten Suchkatalog war kein einziges Buch über ein Schwesternpaar namens Brae und Aili verzeichnet. Also wandte er sich allgemeinen Namensbüchern zu, aber in diesen fand er erst recht keinen Hinweis auf die Töchter der Königin. Allerdings bekam er heraus, was das Worte bedeutete, mit dem sie ihn bezeichnet hatten: Roudo.
    Es war ein keltisches Wort für die Farbe Rot, doch obwohl er es mehrmals laut vor sich hinmurmelte, passierte gar nichts.
    Filine hatte mehr Glück. Sie entdeckte den Namen der Königin. Es hatte um das Jahr 61 viele keltische Anführerinnen gegeben, aber eine von ihnen war ihr besonders aufgefallen. Obwohl man nicht allzu viel über sie wusste, war sie von den Dokumentaren der Akademie als eine bedeutende Frau beschrieben worden. Es handelte sich um Königin Boudicca, die einen Aufstand der Kelten gegen die römische Besatzungsmacht angeführt hatte und dabei wahrscheinlich getötet worden war.
    No kam ebenfalls weiter. Sogar weiter, als er sich gewünscht hatte. »Mann!«, stöhnte er nach einer Weile und warf einen finsteren Blick auf den gewaltigen Bücherstapel vor sich. »Ich habe von allen wieder das bestbeschriebene Thema erwischt. Die Bäume spielten nicht nur bei den Kelten eine Hammerrolle, sondern in ganz Nordeuropa!«
    »Tja, das ist ein waldreiches Gebiet!«, lächelte Filine.
    »Ach, nee«, fuhr No auf. »Und?«
    »Na, das heißt eben, dass die Menschen natürlich bei bestimmten Bäumen zu bestimmten Göttern gebetet haben.«
    »Ja«, nickte No. »Stimmt. Es wurde wirklich nicht unbedingt der Baum an sich angebetet. Aber gleichzeitig spielt auch wieder jeder Baum seine eigene Rolle. Eine Weide wächst zum Beispiel gerne auf feuchtem Untergrund, also sozusagen mit den Füßen im Wasser. Dabei verfault sie nicht, sondern bleibt ganz geschmeidig. Man nennt die dünnen Zweige sogar Ruten, so biegsam sind sie. Und sie hat eine unheimliche Lebenskraft. Steckt man ihre abgebrochenen Zweige in die Erde, wächst ein junger Baum daraus! Genauso, wie aus einem gefällten Stamm neue Zweige wachsen können.« No sah in sein Buch und las dann laut vor: »Deswegen schenkt einem die Weide Trost und Freude und innere Ruhe. Sie ist ein Zeichen der Wiedergeburt und seelische Verletzungen finden bei ihr vielleicht Heilung.«
    »Heilung, die die beiden Königstöchter nach dem Angriff bestimmt nötig hatten«, sagte Rufus leise.
    Filine nickte stumm. Dann fragte sie: »Und was ist mit der Stechpalme?«
    »Da habe ich nichts Neues entdeckt«, gab No zu.
    »Ich komme bei Brae und Aili auch überhaupt nicht weiter. Es ist, als hätte es sie nie gegeben. Keine Spur von ihnen«, seufzte Rufus.
    »Aber Rufus, genau das könnte die Spur sein«, sagte No plötzlich. »Deshalb zeigt sie die Flut. Wir sollen ihre Geschichte erfahren. Und das hat irgendwas mit meinem Holzfragment zu tun.« Er holte Luft. Dann sagte er laut: »Aili, Brae, Stechpalme.«
    Die drei Lehrlinge sahen sich um. Doch es war nicht der Hauch von einer Flut zu entdecken.
    »Boudicca, Brae, Aili,

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