Die Stunde des Raben
brauchen.«
»Aber –«, rief Aili.
»Esst etwas!«, wiederholte Myrddin. »Es ist zu spät, diesem Krieg noch Einhalt zu gebieten.«
»Er hat recht, Aili.« Brae zupfte ihre Schwester am Ärmel. »Mutter hat uns bei der Weide auch gesagt, dass wir essen sollen. Wir werden tun, was wir können. Und es wird bestimmt anstrengend.«
Sie führte das Fleisch zum Mund und biss hinein.
Das jüngere der beiden Mädchen zögerte. Aber dann traf sie der Blick des Druiden, und sie beugte den Kopf und begann ebenfalls zu essen. Als Tyrai das sah, folgte er ihrem Beispiel.
Einige Minuten später löschte Myrddin das Feuer und streute Erde über die Glut. Er verstaute seine Vorräte und legte den Beutel auf den Rücken seines Pferdes. Dann sagte er: »Und nun zieht weiter, Icener, und findet Königin Bydegg am Ort der Entscheidung.«
Er wandte sich um und stieg auf sein Pferd.
»Aber wie sollen wir jetzt vorwärtskommen, ohne den Wagen?«, rief Brae. »Zu Fuß werden wir unsere Mutter niemals schnell genug erreichen.«
Myrddin lächelte. »Verzeiht mir, dass ich euch so unsanft gestoppt habe, aber ihr wart zu schnell für mein müdes Pferd. Mir blieb nichts als ein Holzzauber gegen eure Achse.« Er zog einen langen Stock aus hellem Holz aus seinem Mantel. »Nehmt meinen Stab und setzt ihn anstelle der Achse ein. Er ist dünn, aber biegsam, und er wird halten, solange ihr ihn braucht. Es ist der Stab des Myrddin. Und nun lebt wohl.«
»Und wo finden wir die Königin?«, fragte Tyrai.
»Ihr bekommt einen Führer«, versprach Myrddin. Er deutete in den Himmel. Hoch oben, nah unter den Wolken, kreiste ein schwarzer Vogel. »Folgt diesem Raben, und wisst, Töchter der Bydegg, dass euch der Dank der Druiden immer gewiss sein wird. Jetzt aber müssen wir uns verbergen, denn das römische Imperium ist stark und gefährlich. Ihr aber, bleibt auch stark, denn Schwäche ist das einzige Übel.«
Der Druide wandte sein Pferd und ritt tiefer in den Wald. Einen Augenblick später fuhr plötzlich ein heftiger Windstoß durch die Bäume, und dann war Myrddin verschwunden.
Brae und Aili blickten immer noch zu der Stelle, wo sie ihn zuletzt gesehen hatten, als Tyrai den dünnen Stab anstelle der zerbrochenen Achse in den Wagen setzte. Und obwohl er wie eine viel zu schwache Feder zwischen den Rädern lag, hielt er das Gewicht des Wagens, als Tyrai ihn aufrichtete, ohne Mühe und saß so fest, als wäre er geschmiedet.
Tyrai spannte die Pferde vor und die drei Icener bestiegen den Streitwagen. Dann setzte sich das Gefährt in Bewegung und fuhr aus dem Wald zurück auf die Römerstraße. Über ihnen am Himmel zog der schwarze Rabe einen Kreis. Dann schlug er den Weg nach Norden ein, und die Königstöchter und ihr Wagenlenker folgten ihm.
Hinter ihnen zog sich die Flut zurück.
Im Vorraum seines Büros stand Direktor Saurini.
»Ihr wart lange unterwegs!« Er deutete auf einen Teller mit Früchten. »Bitte, greift zu!«
Erstaunt sah No ihn an.
»Haben Sie denn die Flut nicht gesehen?«
»Nein, leider«, Gino Saurini schüttelte den Kopf. »Das Alter! Aber ich konnte hören, was ihr miteinander gesprochen habt.« Er lächelte kurz. »Andererseits habe ich aber Glück, dass ich nicht mit hineingezogen wurde, denn ich habe wirklich noch viel vorzubereiten für den Flutmarkt. Und dann muss ich auch die Rede schreiben, die ich für eure Eltern und Verwandten halten werde. Ihr könnt euch sicher denken, dass ich als vorgeblicher Direktor eines Eliteinternats ein bisschen was bieten muss: Die Fächer, die wir offiziell im letzten Jahr durchgenommen haben, Wirtschaftslehre, internationale Beziehungen zu anderen Einrichtungen, eure persönlichen Fortschritte! Aber gut … Rufus hat mir bereits gesagt, dass ihr einen Ort braucht, um eurer Flut ungestört nachgehen zu können. Ich schlage vor, dass ihr euch in die Gewölbe zurückzieht und habe euch dort schon Feldbetten aufstellen lassen. Einige Bücher aus der Bibliothek liegen ebenfalls schon bereit. Es ist auch dafür gesorgt, dass ihr zu essen bekommt. Möglicherweise wird die anregende Atmosphäre der Gewölbe ja dazu beitragen können, dass ihr eure Flut noch vor dem Flutmarkt beendet. Wer weiß?! Wenn nicht, schicke ich euch eure Flutmarkthändler dorthin, damit ihr mit ihnen verhandeln könnt. Wo habt ihr denn eure Artefakte für den Markt?«
Filine erklärte es dem Direktor.
»Gut, dann sorge ich mit eurem Einverständnis dafür, dass sie auch nach unten kommen.«
No verzog
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