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Die Stunde des Raben

Die Stunde des Raben

Titel: Die Stunde des Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Pfeiffer
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sie nie wieder dahin kommen würde. Oder sie hat es gespürt.«
    »Aber der Druide hat gesagt, es ist beides die Stunde des Raben. Das Sterben und das Weiterleben«, sagte Filine.
    Die Lehrlinge blickten sich schweigend an.
    In diesem Moment hörten sie aus der Dunkelheit der Gewölbe ein Flattern näher kommen. Es waren Flügelschläge. Sie klangen dumpf wie nasse Lappen, die immer wieder langsam auf den Boden geschlagen wurden. Dann wurden sie schneller und leichter und wirbelten plötzlich heran.
    Im nächsten Moment flog ein großer Rabe über ihren Köpfen. Er stieß einen krächzenden Schrei aus. Dann zog er über sie hinweg und hinter ihm öffnete sich der Himmel.
    »Die Flut«, sagte No.
     
    Über der Römerstraße, auf der die Mädchen und Tyrai in ihrem Wagen fuhren, flog ein schwarzer Rabe.
    Rufus, Filine und No eilten den Kelten mit langen Schritten hinterher. Der Wagen war um einiges schneller als sie, nicht lange, und sie würden ihn aus den Augen verloren haben. Doch dann brandete hinter einem Hügel, der vor ihnen lag, gewaltiger Lärm auf.
    »Was ist das?«, fragte No beklommen.
    Der Wagen war im Schatten einiger Bäume außer Sicht geraten, und die Lehrlinge rannten aus Leibeskräften. Dann erreichten sie den Hügel und im nächsten Moment blieben sie stehen.
    In einer Senke standen sich zwei gewaltige Heere gegenüber. Eingekeilt zwischen zwei undurchdringlichen Waldrücken befanden sich die Legionen der Römer. Ausgerichtet in Reih und Glied, in Uniformen, mit erhobenen Schilden und Wurfspeeren in Händen, standen die Soldaten wie metallisch glänzende Maschinen regungslos da und warteten auf die Befehle ihres Kommandanten.
    Ihnen gegenüber wogte eine gewaltige Schar keltischer Krieger. Es waren Männer und Frauen. Auch sie trugen Schilde, die rund und aus Holz waren, und hatten Speere in den Händen. Außerdem waren sie mit kurzen Schwertern bewaffnet. Und nahezu alle von ihnen trugen kostbaren Schmuck, Ketten und Panzer aus Gold oder funkelnde Spangen an ihrer Kleidung. Manche waren nackt und hatten sich blau bemalt. Viele hatten Arme und Hals mit großen Wendelringen geschmückt, deren offene Enden in Tierköpfe ausliefen. Und auf den Helmen einiger Krieger prangten Eberköpfe, Wölfe, wilde Hunde, Stierhörner oder Vögel.
    Hinter der Masse der Kelten waren Dutzende von Pferdewagen nebeneinander aufgereiht, in denen Kinder und Frauen den Kriegern zujubelten.
    Königin Boudicca saß auf einem Pferd in der vordersten Reihe ihrer Krieger und sprach zu ihnen.
    Auf der anderen Seite konnten die drei Lehrlinge den Anführer der Römer ausmachen, der sich hinter seinen Legionären auf einer Anhöhe positioniert hatte. Er schwieg und beobachtete mit unbeweglicher Miene seine Gegner.
    »Da!« Rufus zeigte auf den Wagen mit den drei Icenern, der auf die Wagenreihen hinter den keltischen Kriegern zuhielt.
    Schnell rannten die Lehrlinge den Hügel hinunter. Als sie den Wagen erreichten, zügelte Tyrai die Pferde und stoppte.
    »Wir müssen zu unserer Mutter«, befahl ihm Brae. »Wir müssen ihr die Nachricht des Druiden überbringen!«
    Tyrai hob die Zügel wieder an und bewegte den Streitwagen langsam durch die Menge. Es war kein leichtes Vorankommen, aber der Icener war ein geschickter Wagenlenker. Meter um Meter schob sich das Gefährt auf Boudicca zu. Und dann ertönte plötzlich Ailis helle Stimme: »Mutter!«
    Boudicca hörte den Ruf und erstarrte. Ihr Blick schweifte durch die Menge und blieb dann auf dem Streitwagen mit ihren Töchtern haften. Schnell bahnte sie sich mit dem Pferd einen Weg durch die Reihen ihrer Krieger.
    »Aili, Brae! Was macht ihr hier? Tyrai, warum hast du sie hierher gebracht? Ihr solltet auf dem Weg zu den Druiden sein!«
    »Königin Bydegg«, erwiderte Tyrai. »Es gibt kein Heiligtum der Druiden mehr.«
    »Und doch hast du sie gerettet, Mutter«, fiel ihm Brae ins Wort. Dann berichtete sie in wenigen Worten, was der Druide Myrddin ihnen mitgeteilt hatte. Boudiccas Augen verrieten Zorn und Mitgefühl, als sie davon erfuhr. Dann wandte sie den Kopf und blickte hinüber zur römischen Armee. Auf ihrem Pferd wirkte die Königin wie eine lodernde Flamme.
    »Warte, Mutter!«, rief Aili. Sie sprang aus dem Wagen und lief zur Königin. Dann sagte sie leise, sodass nur diese sie hören konnte: »Es gibt noch eine wichtige Botschaft von Myrddin für dich. Der Anführer der Römer verfolgt eine Kriegstaktik, die sie in Britannien noch nie angewandt haben. Er lässt seine Soldaten

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