Die Stunde des Schakals (German Edition)
Wasser deponiert waren. Abgesehen von dem Knöchel, den sie sich beim vergeblichen Versuch, die Kette abzustreifen, aufgeschürft hatte, war Oshivelos Frau unversehrt. Auch psychisch schien sie die Sache einigermaßen überstanden zu haben. Ihr gehe es gut, alles sei bestens, vor dem Gewitter habe sie ausreichend Schutz gefunden, die Nacht sei erträglich gewesen, und dass sie keine zweite hier verbringen müsse, habe sie geahnt. Die einzige Frage, die sie selbst stellte, betraf ihren Entführer. Als ihr mitgeteilt wurde, dass er am frühen Morgen verstorben war, nickte sie nur. Dann fuhr sie sich mit den Fingern durchs Haar und stöhnte in einem übertrieben oberflächlichen Ton, wie schrecklich sie aussehen müsse. Klarer konnte sie nicht zum Ausdruck bringen, dass sie über die vergangenen vierundzwanzig Stunden nicht mehr sprechen wollte. Als endlich Gerät eingetroffen war, um die Kette zu durchschneiden, brachte Oshivelo seine Frau nach Hause.
Clemencia nutzte die Zeit, um sich im Präsidium Donkerkop vorzunehmen. Als sie ihm versicherte, es würde sich strafmildernd auswirken, dass er das Versteck der Entführten freiwillig angegeben habe, fiel Donkerkop aus allen Wolken. Er habe Lubowski umgebracht, ja, und er sei gern bereit, hier vor der Polizei und vor Gericht und wo auch immer zu wiederholen, was er den Journalisten am Heroes’ Acre in die Feder diktiert habe, aber mit einer Entführung habe er nichts zu schaffen. Clemencia fragte nach, begann noch einmal von vorn, als Oshivelo eine Stunde später zu ihr stieß. Donkerkop blieb verbissen dabei, dass er auf perfide Art von Fourie hereingelegt worden sei. Der Ex-Richter habe ihm die Wegbeschreibung eingeflüstert.
Von den Kollegen glaubte ihm anfangs niemand. Auf den ersten Blick sei es zwar seltsam, dass Frau Oshivelo auf Fouries Grund und Boden gefunden worden sei, aber das erkläre sich doch dadurch, dass Lucas Elago, der Killer und Entführungskomplize Donkerkops, das Gelände dort gekannt habe. Die Beschreibung habe gestimmt, also müsse einer von beiden, Fourie oder Donkerkop, von der Entführung zumindest gewusst haben. Es stehe Aussage gegen Aussage, oder besser, es stehe die Aussage eines unbescholtenen pensionierten Dieners der Gerechtigkeit gegen die eines – wie er ja selbst zugebe – Attentäters und Mörders.
«Eben», sagte Clemencia. «Er gesteht einen Mord und leugnet ein weniger schweres Verbrechen?»
Überraschenderweise stimmte Oshivelo ihr zu. Wenn einer von beiden lüge, dann Fourie.
«Und nicht nur in dieser Hinsicht», sagte Clemencia und erläuterte ihre Theorie von dem mörderischen Abkommen zwischen Fourie und Elago. Sie zog alle Register, hatte sich in ihrem ganzen Leben noch nie so viel Mühe gegeben, irgendjemanden von irgendetwas zu überzeugen. Sie belegte Fouries Besessenheit, was den Lubowski-Fall anlangte, und erinnerte an seinen Gefängnisbesuch in Pretoria. Nur von ihm habe der Killer erfahren können, dass auch Ferdi Barnard jede Aussage verweigert habe und deswegen umzubringen sei. Sie schilderte das Verhältnis zwischen Fourie und Elago und dessen Kindern, die nicht glaubten, dass der Baas ein Mensch wie jeder andere sei. Sie verwies auf Elagos Diagnose, auf seinen Aufenthalt im Krankenhaus und seine überstürzte Flucht. Sie spekulierte, was daraus über den emotionalen Zustand des Killers abgeleitet werden konnte. Sie erläuterte, warum der zeitliche Rahmen so genau passte. Sie ließ die Todesnacht Elagos vor den Kollegen ablaufen, fragte sie, warum ein Mann, der kaum mehr sprechen konnte, ungebeten in einer langen, quälenden Rede beteuerte, Alleintäter zu sein. Sie zitierte Fouries Versprechen, immer für die Kinder zu sorgen, interpretierte seine Blicke und Gesten, sie reihte so lange Steinchen an Steinchen, bis ein Mosaik entstand, das die anderen zumindest überzeugte, dass sie nicht völlig verrückt geworden war. Selbst Robinson sagte nur: «Na, ich weiß nicht.»
«So, wie du das darstellst, klingt es nachvollziehbar», meinte Tjikundu vorsichtig.
«Ziemlich logisch», echote van Wyk.
Dann herrschte Schweigen. Es war Oshivelo, der die vier Worte sagte, auf die Clemencia gewartet hatte. Die sie mit ihrem Vortrag auch in sich selbst nicht hatte auslöschen können. Die vier verdammten Worte, die ganz klar und einfach benannten, was Sache war: «Es wird nicht reichen.»
Sie hatten eine Theorie und Indizien, aber keinen einzigen handfesten Beweis dafür, dass Fourie fünf Morde und eine Entführung
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