Die Stunde des Schakals (German Edition)
nur ich Ihnen diese Verhandlung ermöglicht habe. Ich bettle nicht um Gnade oder mildernde Umstände, ich fordere jedoch, dass auch das zweite Verfahren mit Ernst und Strenge zu Ende geführt wird. Das Verfahren in dem Fall, dem die vorliegende Anklageschrift kaum ein Wort widmet.
Nur damit dieser zweite Prozess zustande kommt, habe ich gestanden. Es ist der Prozess, den ich immer gewollt habe und in meiner Amtszeit nicht führen durfte. Der Prozess, den dieses Land viel dringender braucht, als es wahrhaben will. In dem ein für alle Mal zu klären ist, was am 12. September 1989 wirklich vorfiel, wie es dazu kommen konnte, wer die Verantwortung dafür trägt und wer aus welchen Gründen verhindert hat, dass Gerechtigkeit geschehe. Der Prozess, der endlich die Wahrheit über den Mord an Anton Lubowski zutage bringen muss.
In diesem Prozess bin ich Vertreter der Anklage. Ich übernehme diese Aufgabe, weil niemand sonst es tut. Und dabei wird es vielleicht nicht bleiben. Ich sage Ihnen ganz offen, wenn Sie Ihrer Aufgabe als Richter nicht nachkommen, erkläre ich mich selbst dazu. Mag mein Urteilsspruch auch ohne strafrechtliche Konsequenzen bleiben, vor der Geschichte wird er gültig sein. So wahr mir Gott helfe!
6
GRÄBER
Fourie gestand nicht sofort, als ihn Clemencia darauf hinwies, dass es noch eine Möglichkeit gäbe. Sie drängte ihn auch nicht. Wenn er nicht aus freien Stücken auspackte, war sowieso nichts zu machen. Sie erbettelte einen Kanister Benzin, fuhr nach Hause, schloss sich in ihrem Zimmer ein und schlief vierzehn Stunden lang, nur gelegentlich geweckt vom Klopfen Miki Matildas, von den Lautsprechern der Mshasho Bar, dem Grölen irgendwelcher Betrunkener und dem morgendlichen Fluchen des Taxifahrers von gegenüber, der nicht akzeptieren wollte, dass sein Wagen auch bei hundertmaligem Orgeln nicht ansprang.
Als Clemencia am späten Vormittag in den Büros der Serious Crime Unit auftauchte, war Fourie schon ein paar Stunden da und diktierte van Wyk ein detailliertes Geständnis in den Computer. Beim Anblick Clemencias lächelte er. Sich zu entscheiden sei ihm nicht schwer gefallen, er habe aber noch eine Nacht in Freiheit verbringen wollen. Es sei wahrscheinlich die letzte in seinem Leben gewesen, sagte er fast entschuldigend. Mitgebracht hatte er Anwalt von Fleckenstein, der noch besserer Laune war als sonst. Er erinnerte Clemencia freundlich daran, dass ihr Bruder respektive ihre Familie ihm noch zweihundertfünfzig Dollar schulde, und nickte gnädig, als Clemencia ihn auf das nächste Monatsgehalt vertröstete. Dann plapperte er los, als sei er von Fouries Willen zu einem umfassenden Geständnis angesteckt worden:
«Endlich mal keinen auf Kaution herausholen! Ich hatte es so satt, jede Tat herunterzuspielen und für jeden dummdreisten Gewohnheitsverbrecher Geschichten zu erfinden, die einen Haftrichter rühren können. Schwere Kindheit, günstige Sozialprognose, einziger Ernährer einer Großfamilie, weinende Kleinkinder und momentane Aussetzer – ich konnte mir selbst kaum noch zuhören. Aber jetzt geht es in die Vollen! Die werden bald nicht mehr wissen, ob ich wirklich Fouries Verteidiger oder der Chefankläger bin. Wer im Fall Lubowski Dreck am Stecken hat, den werden wir unbarmherzig auseinandernehmen. Ihr Chef, Oshivelo, soll sich schon einmal warm anziehen!»
«Können wir weitermachen?», fragte van Wyk. Er versprach, Clemencia das Protokoll zu bringen, sobald sie fertig seien.
Clemencia nickte, obwohl sie bezweifelte, dass sie darin viel Neues entdecken würde. Ob Fouries Kalkül aufging, ob es von Fleckenstein gelingen würde, die Hintermänner des Lubowski-Mordes ans Licht zu zerren, ob es außer den CCB-Agenten überhaupt Hintermänner gab, das würde der Prozess in ein paar Wochen oder Monaten zeigen. Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Clemencia hatte ihre Arbeit jedenfalls getan. Mehr ging nicht. Wer alles verlangte, wer irgendein Ziel unbedingt erreichen wollte, der verlor das Augenmaß. Der hatte ganz schnell die Grenzen überschritten, die für das Zusammenleben unabdingbar waren. So wie Fourie. So, wie es Angula auch passieren konnte, wenn ihn nicht jemand bremste und auf festen Boden zurückführte.
Clemencia rief noch einmal bei ihm an. Nach dem vierten Klingeln wurde abgenommen. Eine Männerstimme fragte: «Ja?»
«Angula?», fragte Clemencia zurück, doch es war nicht Angula.
«Ach, du bist es», sagte Robinsons Stimme. «Ich komme, sobald wir fertig
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