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Die Stunde des Wolfs

Die Stunde des Wolfs

Titel: Die Stunde des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Furst
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was Sie wissen müssen, steht da drin.«
    Er ging nach oben in sein Zimmer und öffnete die Tür zum Innenhof. Hatte er sie zugemacht, bevor er ging? Er konnte sich nicht erinnern, offenbar hatte er es getan. Unten im Salon war aus dem Klavier ein Quartett geworden, mit einem Saxofon. Sie spielten mit mehr Begeisterung als Können, ein Lied, das er kannte, einen Glenn Miller, ›Moonlight Serenade‹. Auf der gegenüberliegenden Seite des Innenhofs saß eine Frau an einem Tisch und schminkte sich. De Haan zog Jackett und Schuhe aus, legte sich aufs Bett und holte das Blatt aus dem Umschlag.
    STRENG GEHEIM
    Ausschließlich zum persönlichen Gebrauch des Adressaten.
    NID        JJP/JJPL/0626
    OAMT/ 95-0626       R34296        3B-09.00/2.6.41
    Von: Stellv. Direktor/OAMT
    An: E. M. de Haan
    Kapitän/NV Noordendam
    Unverzüglich
    Betreff: Hyperion-Lijn NV Noordendam
    Auslaufen 7. 6. 41, 04.00 Uhr, Hafen von Tanger, auf Pos. 38 ° 32' N/9 ° 11' W ankern und in Dampfschiff Santa Rosa verwandeln. Von da aus zum Hafen Lissabon, 4,3 Meilen den Fluss Tagus hinauf zu Werft unterhalb Rua do Faro , als F3 markiert.
    Kontaktaufnahme mit Schiffsagent Penha, Rua do Comercio 24, zwecks Aufnahme von Sonderfracht und Empfang von Ladeliste für Speiseöl, Sardinenbüchsen und Korkeiche, bestimmt für Hafen Malmö. Auslaufen Hafen Lissabon 10. 6. 41, 02.00 Uhr nach Pos. 55 ° 20' N/13 °20' O, eine Meile vor schwedischer Küste, Region Smygehuk. Am 21. 6. 41, 03.00 Uhr zwei grüne Lichtsignale erwarten, zwei grüne Lichtsignale bestätigen für ARCHER zwecks unverzüglichem Löschen der Sonderfracht. Bis 21. 6. 41, 18.00 Uhr Weiterfahrt Malmö, Pier 17 für Fracht Kiefernschnittholz für Hafen Galway. Abfahrt von Hafen Malmö 27. 6. 41. In See auf weitere Anweisungen warten.
    0626/19.00/5.6.41 Uhr +++DD/OAMT

Anlaufhäfen
    A M ACHTUNDZWANZIGSTEN M AI flog im Verlauf einer kurzen Unterhaltung tausend Meilen von Tanger entfernt das Doppelleben des spanischen Frachters Santa Rosa auf.
    Es geschah an der Baltic Exchange, jener traditionsreichen Weltseehandelsbörse in einer Straße namens St. Mary Axe inmitten altehrwürdiger Handelsbanken und Versicherungen in der City, dem Finanz- und Handelszentrum von London. Dort trafen sich in der Woche zwischen zwölf und zwei Uhr mittags regelmäßig die Schiffs- und Frachtmakler unter den Marmorsäulen und Glaskuppeln auf einen Drink, um Neuigkeiten aus der Welt der Seefahrt auszutauschen und Trockenbefrachtungsverträge auszuhandeln. Es bedurfte nur eines Handschlags, und eine Ladung Kohle oder Getreide oder Holz war schon unterwegs.
    Im Jahr 1744 als Kaffeehaus gebaut, hatte die Baltic schon große und turbulente Zeiten erlebt – die napoleonischen Kriege, den dänischen Handelskrieg, die aufgeheizten Talg-Spekulationen von 1873, als die Straßenlaternen von London sowie der halbe Kontinent mit Rinderfett erleuchtet wurden. Doch das war lange her. Der Glanz war indes nie erloschen – immer noch stand ein Bediensteter in Livree auf der Kanzel und rief die Namen von Maklern aus, die allerdings in diesen Tagen nicht vollzählig antworteten. Seit so viele große Schiffe unter nationaler Aufsicht fuhren, seit die Ölvertreter sich an ihre eigenen Büros und Fernschreiber hielten und das amerikanische Maklergeschäft jetzt in New York, in der Bar des Downtown Athletic Club, abgewickelt wurde, war die Schar, die sich zu ihren mittäglichen Abschlüssen versammelte, geschrumpft.
    Dennoch ging das Leben weiter – für asiatische Häfen, für Südamerika, für die neutralen Länder Europas gab es immer noch Frachtgut zu transportieren – zu ›heben‹ im hiesigen Jargon –, und die Makler, Männer wie Barnes und Burton, waren für jeden Auftrag dankbar, der sich ihnen bot. Schließlich war dies die Arbeit, die sie tagein, tagaus ihr ganzes Berufsleben lang verrichtet hatten, und Barnes und Burton, Fracht- und Schiffsmakler ihres Zeichens, waren entsetzt über das, was ihnen am frühen Nachmittag des Achtundzwanzigsten zu Ohren kam. Denn sie waren die zuverlässigsten Patrioten, Barnes und Burton, vielleicht zu alt für den Militärdienst, doch sie dienten ihrem Land, so gut sie konnten – Barnes des Nachts als Luftschutzwart, Burton, indem er jedes Wochenende mit seiner Bürgerwehreinheit unten in Sussex exerzierte, wo die Burtons schon immer ein Haus besessen hatten.
    Es war fast zwei, als sie sich in der Baltic trafen. Burton vertrat eine Reihe der kleineren spanischen

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