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Die Stunde des Wolfs

Die Stunde des Wolfs

Titel: Die Stunde des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Furst
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holländischen Trampschiff?«
    »Wenn wir knapp an Leuten sind, schon.«
    »Na ja«, sagte Moose, »wir sind wahrscheinlich sowieso nicht mehr allzu lange auf der Savannah .«
    »Nicht?«
    »Er meint«, erklärte Whitney, »dass wir, sobald der alte Rosenfeld uns in diesen Krieg schickt, zur Kriegsmarine gehen.«
    »Sind Sie sicher, dass die Sie lassen?«
    »Klar, wieso nicht?«
    »Weil die USA, sobald sie in den Krieg eintreten, jeden Tanker brauchen, den sie kriegen können.«
    Kurzes Schweigen. Die zwei Matrosen würden, in De Haans Zukunftsversion, auf einem feindlichen Tanker in See sein, nunmehr nicht länger unter dem Schutz der amerikanischen Neutralität. Schließlich sagte Whitney: »Na ja, mag sein.« Damit kippte er sein letztes Bier herunter und fügte hinzu: »Nehmen Sie sich auch einen zur Brust, Captain, geht auf uns – 'nen boilermaker , Bier un'n Kurzen, okay?«
    De Haan wäre lieber beim Bier geblieben, doch Whitney war zu schnell für ihn und rief: »Hey, Hassan, noch drei hier rüber.«
    Der Kurze war Roggenwhisky, klebrig süß und dem Etikett nach in Kanada abgefüllt. Doch De Haan wusste nur allzu gut, dass importierter Whisky in fremden Häfen nur etwas für die Unerschrockenen war, und er konnte nur hoffen, dass er nicht in irgendeiner Hinterhofwerkstatt in Marrakesch zusammengebraut worden war. Egal, was es war, es wirkte, und bei der dritten Runde wusste De Haan, dass er schwanken würde, wenn er von seinem Hocker aufstand. Aber gut für die Kameradschaft. Whitney und Moose machten ihm unmissverständlich klar, wie Leid ihnen die Leute taten, die im besetzten Europa eingesperrt waren, und wie es ihnen in den Fingern juckte, den Nazis eins überzuziehen. Sie hatten britische Tanker vor den Stränden Miamis brennen gesehen, wo die Anwohner bei dem Gedanken, dass direkt da draußen U-Boote waren, ans Wasser strömten, um das Schauspiel zu bestaunen.
    Bis halb neun herrschte in der Bar drangvolle Enge, und De Haan wusste trotz des boilermaker- Nebels , dass er gehen und seinen Kurier finden musste. »Meine Herren«, sagte er, »ich glaube, ich sollte mich auf den Weg machen.«
    »Nö, jetzt doch noch nich, Sie haben doch noch keinen nich angeheuert.«
    De Haan sah sich um. In einer Bar voller betrunkener Matrosen konnte er sich allenfalls eine gebrochene Nase holen. »Ich versuch's an einem anderen Abend«, sagte er und stand schwankend auf. Er griff in die Tasche, um zu bezahlen, doch Whitney pellte ein paar Dollarscheine von einer Rolle und warf sie auf die Bar. »Das ist zu viel«, sagte Moose, während De Haan protestierte: »Lassen Sie mich das übernehmen.«
    Whitney winkte ab. »Hab bei Hassan was gutzumachen«, sagte er. »Kuschhh.«
    De Haan lachte. Er konnte es nicht abwarten, den Witz weiterzuerzählen – vielleicht würde er dem Kurier gefallen. Moose sah seinen Freund unsicher an und sagte schließlich: »Na schön, hast wahrscheinlich Recht.« Und an De Haan gewandt: »Wo soll's denn hingehen, Kumpel? Zum Hafen runter?«
    »Nein, nein. Bleiben Sie man ruhig hier.«
    »Was? Sie machen Witze«, sagte Whitney. »Sie da allein rausgehen lassen? Wir doch nicht.« Er schüttelte den Kopf. Leute gib's.
    Und er sollte Recht behalten. Sie traten aus der Bar in die laue Nacht und gingen vorsichtig die Stufen der Rue el-Jdid hinunter. Whitney griff gerade mit sanfter Stimme erneut auf sein reichhaltiges Repertoire zurück und gelangte an die Stelle. »Endlich fand ich eine, sie war groß und dünn, gottverdammt, so 'n Mist aber auch, ich bekam ihn nicht rein«, als zwei Männer aus einer Gasse traten. Schwer zu sagen, wer sie waren. Sie trugen dunkles Hemd zur dunklen Hose und hatten die Krempen ihrer Strohhüte über die Augen gezogen. Spanier? Marokkaner?
    Den beiden Matrosen gefiel nicht, was sie da sahen. Sie drehten sich um und blieben stehen, während die beiden Männer ein paar Schritte weiterliefen und drei Meter über ihnen anhielten.
    »Wollt ihr was von uns?«, fragte Whitney.
    De Haan hatte das Gefühl, dass sie kein Englisch verstanden. Einer von ihnen steckte die Hand in die Tasche.
    »Der gehört mir«, sagte Moose. »Du übernimmst den anderen.«
    Whitney steckte zwei Finger in den Mund und ließ einen schrillen, zweitönigen Pfiff vom Stapel. Sofort erschienen einige Silhouetten vor dem Eingang des l'Ange Bleu am oberen Ende der Straße, und dazu ertönte der Ruf: »Braucht jemand Hilfe?« Einen endlosen Augenblick lang herrschte ein Patt, und dann aus der Bartür das

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