Die Sturmjäger von Aradon - Feenlicht - Die Sturmjäger von Aradon - Feenlicht
fanden in ihm zusammen. Ihn zu sehen, bedeutete ein Blick auf die Ewigkeit. Er war heilig, dachte Hel, und sie wunderte sich, dass sie dieses Wort nie zuvor mit Geistern in Verbindung gebracht hatte, obwohl es doch so offensichtlich war.
Er glitt auf sie zu. Die flammende Mähne wuchs Hel beinahe von selbst in die Hände. Ohne ihr Zutun rauschte das Wesen unter ihnen hindurch und im nächsten Moment saßen sie auf seinem Rücken, im Wirbel einer Flucht vor Zeit und Wirklichkeit.
Der Lymaerus verwandelte sich. Hel spürte, wie der Körper sich immer neu formte wie Wolken an einem windigen Tag. Mal schien er zu wachsen und bäumte sich auf, dass die Erde unter ihnen versank und Hel Angst bekam, im Sturm der
Magie zerrissen zu werden - dann wieder fiel er in sich zusammen, strauchelte und schlängelte über den Boden, als müsse er sich dicht an ihn pressen, um das geringe Leben zu finden. Mehrmals krampfte Hel sich in Erwartung eines Sturzes zusammen - doch der Geist löste sich nicht auf. Er trug sie rastlos dem Horizont entgegen, hetzte Lirium durch Schluchten und Täler nach wie einer Blutspur.
Hel hielt sich an der Mähne fest, doch nur die Finger des Jungen versanken ganz in der wilden Nebelmasse. Bis zu den Ellbogen umschlangen ihn manchmal die haarfeinen Flammen, und es war schwer zu sagen, ob sie sich an ihn schmiegten oder er sich an sie. Hel beobachtete mit der zweiten Sicht, wie der Geist das Licht des Jungen berührte … einmal schien es, als ströme die Magie zu ihm über, dann wieder stellte Hel starr vor Schreck fest, wie sein Licht, sein Leben, in den Lymaerus überging. Doch immer wenn Hel glaubte, der Junge müsste sterben, hörte es wieder auf. Wusste der Junge davon? Lenkte er es gar? Irgendwie musste er doch mit dem Lymaerus sprechen können, damit er sie nach Har’punaptra brachte …
Seine Arme und sein Umhang umschlossen Hel, er war ihr so nah, dass sie seinen Atem auf ihrer Schulter hätte spüren können, wenn der rauschende Wind ihn nicht geraubt hätte. Und zugleich war er kaum vorhanden, denn was hatte er ihr schon von sich gegeben? Nur eine leise Stimme, ein flüchtiges Gesicht im Schatten.
Die Stunden flogen dahin, lautlosen Hufschlägen gleich. Blauer Himmel wurde violett. Vereinzelte Sterne leuchteten auf, doch ihr Glanz verblasste im Schimmern des Lymaerus.
Wenn es genug Lirium gab, würde er ohne Pause weiterjagen. Hel fürchtete, dass die Zeit dann nie wieder aufhören
würde, so zu rasen, bis die Welt für immer hinter ihnen zurückblieb.
Doch dann verschwand der Lymaerus. Es geschah viel sanfter als letztes Mal, auch weil Hel nun vorbereitet war. Der Körper sackte in sich zusammen, wurde langsam und zerstäubte schließlich zu einem Sandwirbel. Hel und der Junge stolperten ein paar schwungvolle Schritte.
Danke … und bis bald, dachte Hel. Falls sie den Lymaerus wiedersah. Es war durchaus möglich, dass Geister mit dem Land starben. Sie schauderte. Nachher würde sie den Jungen fragen.
Traumtrunken vom langen Ritt gingen sie nebeneinanderher. Der Mond hatte zugenommen, sein Licht kam Hel unnatürlich strahlend vor. Die Gebirge wirkten wie an den Himmel gemalt, so flach und gleichmäßig. Hel atmete tief durch. Es war ganz still.
Nach einer Weile wurde ihr bewusst, dass sie ziemlich weit von den Klippen abgekommen waren. Gut eine halbe Meile lag zwischen ihnen und den schroff aufragenden Felsen.
»Wir sollten hinübergehen«, sagte sie und nickte in die Richtung. »Da sind wir geschützter.«
Sie schlugen den Weg ein. Bald fanden sie einen Spalt in den Felswänden, in dem sie übernachten konnten. Weil es eine helle Nacht war, machte der Junge kein Licht. Sie teilten sich den Wasserschlauch und diesmal aß der Junge auch einen Bu’khen. Nur noch vier waren jetzt übrig. Hätte Hel ihrem Hunger nachgegeben, sie hätte alle auf einmal gegessen. Wie lange sollten sie noch mit der Wegzehrung auskommen?
Nebelhaften Sorgen nachhängend, legte Hel sich zum Schlafen. Der Umhang war ihr ein Trost, sie fühlte sich geborgen
in dem dunklen Stoff, als könne er sie vor allen Gefahren der Wirklichkeit schützen. Woher nur kannte sie diesen Geruch …
Diesmal war es der Junge, der das Schweigen brach, als sie dalagen, nah und unsichtbar in der Dunkelheit.
»Was willst du eigentlich in der Zwergenstadt?«
»Ich weiß es nicht«, flüsterte Hel nach einer Weile zurück. Sie starrte in die Nacht hinaus und die Nacht erwiderte ihren Blick mit derselben Ratlosigkeit. »Ich …
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