Die Sturmjäger von Aradon - Feenlicht - Die Sturmjäger von Aradon - Feenlicht
hieß, vor Jahrhunderten, als der große Krieg zwischen den Druiden des Alten Reichs und den ersten Magiern wütete, seien die Gewässer des Horrùn entstanden: Die Druiden begruben das alte Aradon unter gigantischen Wassermassen und zerstörten die Stadt vollständig. Als man Aradon nach dem Krieg neu errichtete, blieben die Flüsse und der See - ein Denkmal an jene dunkle Zeit.
Die eigentliche Stadt schmiegte sich an das Ostufer des Horrùn-Sees. Im Licht des Abends leuchteten die Giebel und Türmchen wie ein Dickicht aus feuchtem Schilf. Fischerboote trieben in der Bucht und kleine Flugballons zogen Netze durch das Wasser. Das Herz Aradons jedoch lag ferner des Sees.
Auf einem Hügel oberhalb der Stadt thronten vier gigantische schwarze Eisentürme. Es sah aus, als würden sie den Himmel halten. Kein Bauwerk auf der Welt ragte höher, keine Festung war imposanter. Hel stützte den Kopf in die Hände. Der Hauptsitz der Magierschaft wurde durch keine Wälle geschützt, nur von unsichtbarer Magie. Vier Steintreppen
führten zu einem runden Plateau in der Mitte, wo die Hochschule der Magierschaft und weitere gezackte und gewundene Gebäude saßen wie in einem gut bewachten Nest. Im Wind wehten Fahnen, auf denen stets neue Wappen auftauchten - die Königreiche, die im Bündnis mit der Magierschaft standen. Die zwei Bären von Nordun wechselten sich ab mit den gekreuzten Klingen von Warhall, den Weinreben Kapuas und den bunten Sonnenstrahlen von Har’punaptra. Auf den Turmspitzen drehten sich goldene Pentagon-Kreisel und schienen das umliegende Land nie aus dem Blick zu lassen.
Kapitän Nord kam aus seiner Kabine, um Nova am Steuerrad abzulösen. Rasiert, gekämmt und in seinen besten Umhang gehüllt, lenkte er die Taube zur Anlegestelle, die wie ein Pilz aus einem der vier Türme ragte. Bereits drei Schiffe der Liga standen auf dem mächtigen Felsvorsprung; sie waren also nicht die Ersten, die dem Ruf der Magier Folge leisteten. Hel überlegte kurz, wie viele noch kommen würden. Soweit sie sich erinnerte, hatten die Magier die Zahl der Schiffe inzwischen auf zweiundzwanzig gesenkt. In Gharras Jugend waren es mehr als fünfzig gewesen.
Als die Taube mit einem störrischen Ruckeln landete, erwarteten sie schon zwei Magier im Eingangsportal. Kapitän Nord wies seine Mannschaft an, zuerst Aricaas Gepäck vom Schiff zu bringen, während er selbst voranging, um sie zu begrüßen. Hel half mit, die Truhen zu verfrachten, und fragte sich insgeheim, wie viele Puderdöschen und Parfüms eine angehende Magierin wohl für die Ausbildung brauchte. Aricaa schwebte währenddessen in einem bauschigen sahnefarbenen Kleid vorüber, um von den Magiern in Empfang genommen zu werden. Hel versuchte, ihr Gespräch zu belauschen, sooft sie vorbeikam. Ein älterer Magier mit einem
strengen spitzen Gesicht und eine eulenhafte, leicht ungepflegt wirkende Magierin stellten sich als Leiter verschiedener Bibliothekshallen vor. Aricaa machte einen Knicks vor ihren künftigen Meistern.
Als die Kisten verladen waren, lächelte die Frau und klopfte mit ihrem silbernen Zauberstab auf den Boden. »Dann wollen wir dein Gepäck doch ins Schülerhaus bringen.« Ein feiner Strahl Lirium schoss aus dem Stab und zerstob über den Truhen. Im nächsten Moment flog das Gepäck auf und davon - Hel sah ihm nach, wie es ein hohes, dunkles Gebäude zwischen den Türmen ansteuerte und durch ein Portal verschwand. Sie rieb ihre Finger, die noch vom Tragen schmerzten. So zaubern würde sie auch gerne können. Aricaa würde es bald können.
Als die beiden Magier gehen wollten, um Aricaa ihr neues Zuhause zu zeigen, drehte sie sich zögernd nach Nova um. Er hob eine Hand zum Abschied, aber das genügte der jungen Magierin nicht. In zwei Schritten war sie bei ihm und hatte die Arme um ihn geschlungen, sodass nur noch ein wirrer brauner Lockenschopf aus dem Kleidermeer ragte.
Hel war nicht die Einzige, die diese offen gezeigten Gefühle überraschten. Die Magier starrten Aricaa an. Sogar Kapitän Nord furchte die Stirn. Plötzlich hatte Hel Mitleid - offenbar waren die beiden wirklich verliebt. Jedenfalls verdienten sie dafür keine entrüsteten Blicke. Mit einem Räuspern schob sich Hel in den Vordergrund, als seien Aricaa und Nova gar nicht vorhanden. »Guten Abend, Eure Hoheiten. Mein Name ist Hel, Sturmjägerin der Schwalbe, Redwin Gharra ist mein Kapitän. Die Schwalbe ist abgestürzt.«
Großäugiges Schweigen. Zumindest war es Hel gelungen, von dem
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