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Die Sturmrufer

Die Sturmrufer

Titel: Die Sturmrufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: blazon
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Kapuze. Das Entsetzen löschte den Schmerz aus.
    Auch Sabin schrie auf und stolperte zurück.
    Der Tote aus dem Keller! Seine Augen glommen vor Wut, als er erst Ambers Wunde betrachtete und sich dann den Kreaturen zuwandte.
    »Zurück«, grollte er mit einer Stimme, die so fremd und tief war, dass sie aus dem Keller selbst zu kommen schien. »Loin bekommt ihr nicht.«
    Der erste Speer, der ihn traf, warf ihn um einen Schritt zurück, doch er richtete sich wieder auf und griff an. Amber konnte sich gerade noch zur Seite werfen, bevor er sie blindlings niederrennen konnte. Die Kreaturen sprangen mit einem schrillen Laut zurück. »Kolm wird euch töten«, grollte der Tote.
    Kolm!, schoss es Amber durch den Kopf. Einer der Magier, die den Wind rufen wollten? Aus dem Augenwinkel erhaschte sie einen Blick auf die Galerie. Sie war leer.
     
    *
     
    Das Wasser war eiskalt, doch Inu hatte das Gefühl, durch Lava zu tauchen. Bitte, haltet durch!, flehte er in Gedanken Amber und Sabin an. Langsam ließ der Schwung des Eintauchens nach und Inu begann zu schwimmen. Mit weit aufgerissenen Augen tauchte er tiefer und tiefer. Fünf Längen, sechs Längen, zählte er in Gedanken mit und rief sich Lemars Zeichnung des Beckens ins Gedächtnis: zwei Vorsprünge, an denen früher die Muschelkörbe befestigt worden waren. Einer dicht unterhalb der Wasseroberfläche, einer viele Längen weiter unten, an der gegenüberliegenenden Wand des Beckens. Und zwischen den Vorsprüngen der Schlund, in den Tanijens Körper gesunken war – noch tiefer, als Inu es sich vorstellen konnte. Er musste zum zweiten Vorsprung! Vor seinen Augen war nur Schwärze, doch er glaubte ein leises Beben zu spüren. Je weiter er nach unten kam, desto kälter wurde es. Zweiundzwanzig Längen… dreiundzwanzig. Eine Bewegung unmittelbar vor ihm erschreckte ihn so sehr, dass er Luft ausatmete. Sein Herz raste, als er den Dolch hervorzog. Ein Dolch, der stach und schnitt – Dolchspitze und Messerschneide. Auch Le Hays Waffe hatte eine doppelte Natur.
    Er dachte an Amber, die um ihr Leben kämpfte, und streckte suchend die Hand aus. Und etwas zuckte zurück.
    Inu umklammerte den Dolch. Seine Fingerspitzen kribbelten, als er ein Seil ertastete. Es war mit Fadenalgen bewachsen, als hätte es viele Sommer unter Wasser gelegen. Neben dem Seil war ein Knoten, von dem fächerförmig weitere Seile abzweigten. Ein Künstler hatte es geknüpft. Es hielt, ohne einzuschneiden. Magie knisterte an seinen Fingern. Inu tastete weiter und stieß auf Schuppen und Federn. Und da – unter seiner Hand, pulsierte ein Herz, ein gewaltiges, wütendes Herz!
    Noch nie hatte er sich so gefürchtet wie in diesem Augenblick, die Luft ging ihm aus, schon tanzten Lichtblitze vor seinen Augen. Das Wesen ruckte ungeduldig in den Seilen.
    Lass den Wind frei, wisperte der Dolch.
    Inu warf den letzten Rest des Seilers ab, als würde er sich eines zu engen Mantels entledigen, und setzte den Dolch an. Seine ganze Natur lehnte sich dagegen auf, doch der Dolch schnitt fast von allein, Seil für Seil zersprang. Ein kalter Wasserschwall stieß Inu hart gegen eine Steinwand und drückte die letzte Luft aus seinen Lungen. Das Wesen schien Atem zu holen, es breitete sich aus, entfaltete etwas, was gewaltige Schwingen sein mochten, und spannte die Muskeln an. Verzweifelt griff Inu nach dem Seil, das an ihm vorbeiglitt wie eine Seeschlange, die der Oberfläche entgegenstrebt.
     
    *
     
    Amber spürte den Wind, bevor sie das Flattern wahrnahm. Die Vögel spielten verrückt. Ihre Schulter schmerzte höllisch, während sie eines der Wesen in die Ecke trieb. Aber es war ihr zumindest gelungen, die Ledertasche mit Tanijens Aufzeichnungen, die sie sich auf den Rücken gebunden hatte, wie einen Schild vor die Brust zu schieben. Der Gedanke daran, dass diese Kreaturen Menschen gewesen waren, bevor eine fremde Magie Ungeheuer aus ihnen machte, ließ ihr die Haare zu Berge stehen. Waranzähne schnappten knapp an ihrem Hals vorbei, modriger Gestank ließ sie würgen. Mit einem gezielten Schwung stach sie zu und hörte voller Genugtuung morsche Knochen brechen. Ihr Angreifer fauchte und strauchelte, aber er starb nicht.
    »Wer die Magie verhöhnt, wird durch sie umkommen«, murmelte der Tote. Er drängte sich zwischen Sabin und eine der Kreaturen, die seinem Schlag auswich. Ein jäher Wind bauschte die Flughaut des Wesens und ließ es aussehen, als trüge es einen flatternden Mantel. Dort, wo Amber aus der Stichwunde blutete,

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