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Die Suche nach dem Regenbogen

Titel: Die Suche nach dem Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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Ihr seid jetzt zwar gramgebeugt, aber Ihr seid doch noch jung. Ihr könntet Euch wieder verheiraten.«
    »Wer würde mich wohl nehmen? Master Dallet hat mein Erbe und meine Mitgift durchgebracht. Was Ihr hier seht, ist alles, was mir geblieben ist.«
    »In so kurzer Zeit? Ei, er war doch kaum ein Jahr verheiratet.« Er schüttelte den Kopf und musterte mich, als wäre ich eine Milchkuh, die zum Verkauf stand. »Gleichwohl«, sagte er, und jetzt klang seine Stimme väterlich und berechnend zugleich, »Ihr seid nicht unansehnlich. Und wer so in Bedrängnis ist wie Ihr, sollte bedenken, wie vorteilhaft eine erneute Heirat wäre. Ein älterer Witwer vielleicht, mit Familie, das wäre doch eine vortreffliche Partie…« Er strich sich nachdenklich den grauen Bart. »Gebt die Hoffnung nicht auf, Mistress Dallet. Gebete werden erhört.« Der alte Kuppler blickte so knauserig, daß mir das Herz in die Schuhe sank. Ich stellte mir nämlich einen alten Mann vor, dem bereits zwei Frauen an Überarbeitung gestorben waren, mit einem Dutzend Kinder, die ich aufziehen sollte, und der nach einer ehrbaren jungen Frau Ausschau hielt, die so verzweifelt war, daß sie ihm im Austausch für eine langweilige und lieblose Ehe das Haus führte und das Bett wärmte. So ist das also, wenn man Witwe ist, dachte ich. Und es ist weiß Gott noch unangenehmer, als es im letzten Teil vom Rathgeber für das treffliche Eheweib geschildert ist, und der ließ mich meiner Meinung nach allmählich ganz schön im Stich. In weniger als einem Jahr war ich auf dem Heiratsmarkt Gebrauchtware geworden. Nie wieder Musik unter dem Fenster, nie wieder Blumen, nie wieder flehentliche Bitten an den Vater. Nur noch ein scheußlicher, erniedrigender Handel, als heuerte man einen Pächter für sein Land an. Mir war zumute, als wäre ich vom Rand der Welt gefallen.

Kapitel 5
    D ie Kerzen waren heruntergebrannt, und man hatte die Musiker fortgeschickt, als sich die Unterhaltung der Abendgesellschaft dem Übernatürlichen zuwandte. Mutter Guildfords gestrenger Blick, der das Thema Galanterie gleich im Keim erstickt hatte, wurde weich, da sie zu gern erbauliche Geschichten über Geistererscheinungen hörte. Die Damen der Prinzessin blickten sich mit großen Augen an, und der Herzog von Suffolk, ein routinierter Herzensbrecher, nutzte die kurze Unaufmerksamkeit der alten Anstandsdame und warf der Prinzessin einen feurigen Blick zu. Mary Tudor errötete zart, doch ihre leuchtenden Augen erwiderten den Blick. Jane Popincourt, ihre Französischlehrerin und Hofdame, begann mit der erstaunlichen Geschichte von einem Spinnrad, das jede Nacht in der Wand eines Schlafzimmers zu hören war, das sie einst bewohnt hatte.
    »O ja, ich weiß noch, wie ärgerlich Ihr wart, weil Ihr keinen Schlaf finden konntet«, rief die Prinzessin.
    »Und ich war es, die die Maurer holte und sie die Wand aufstemmen ließ. Und was glaubt Ihr, haben sie gefunden?« Mutter Guildford schenkte der ehrfürchtig lauschenden Runde einen erwartungsvollen Blick. Nach einer dramatischen Pause fuhr Jane fort: »Eine versiegelte Kammer mit einem verstaubten, unbenutzten alten Spinnrad, das ganz voller Spinnweben war. Wir haben den Priester gebeten, die Akten durchzusehen, und haben herausgefunden, daß eine Frau, die für die Königin gesponnen hatte, in jenem Zimmer gestorben war.«
    »Mit Verlaub«, schnitt ihr Suffolk, ein grobschlächtiger, kräftig gebauter Mann, das Wort ab, »warum sollte ein Geist, der von allen irdischen Sorgen befreit ist, mit einer so leidigen und mühseligen Arbeit fortfahren? Nein, Geister kehren nur dann zurück, wenn sie eine Botschaft für die Lebenden haben – oder vielleicht nach Rache dürsten.«
    »Da ergibt sich doch die Frage, ob im Spinnen nicht auch eine Botschaft liegt.« Der junge Herzog de Longueville, den man kürzlich in der Schlacht von Guinegate gefangengenommen hatte, der jedoch alle Freiheiten eines höfischen Edelmannes genoß, bis sein Lösegeld bezahlt war, konnte es kaum erwarten, der Gesellschaft seine eigene Geschichte zu erzählen. »Ich glaube, wenn Geister am Werke sind, dann immer mit einer Absicht. So gibt es beispielsweise in dieser Stadt jemanden, den ich… sehr gut… kenne, und der hat von einer höchst ungewöhnlichen Geistererscheinung gehört.«
    »Oh, erzählt!« rief die Prinzessin und klatschte in die Hände.
    »Anscheinend gab es in dieser Stadt einen jungen, sehr gutaussehenden Maler mit einer einzigartigen Begabung zum Porträtmalen. Er

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