Die Suche nach dem Regenbogen
schützt, aber zuweilen hilft selbst das nicht. Dann fiel mir Mistress Hull und ihr Plan ein, meine Arbeit als Nachlaß eines toten Zunftbruders auszugeben, und da freute ich mich, denn das geschah ihnen recht und war eine Genugtuung für Vater und all die armen Italiener und Franzosen, die Fahnen malen, die dann verbrannt werden, und die es nie zu einem anständigen Honorar bringen.
Der Schuldeneintreiber musterte den herumliegenden Abfall, denn das war alles, was es im Atelier noch zu holen gab. Eine leere Blase, aufgeschlitzt, und ein paar Lumpen in der Ecke. Aus einer umgekippten Flasche stieg uns beißender Terpentingeruch in die Nase. Auf den Borden lagen eklige Dinge, faule Eier, alte Muschelschalen, unbrauchbare Pinsel und ausgefranste Stücke von edelstem Pergament, die nicht mehr zu verwenden waren. »Hat er Euch nichts hinterlassen?« fragte er enttäuscht.
»Master Büttel, die Extrakerzen, die Gedenktafel, die gemieteten Leichenbitter, all das war ein Geschenk eines alten Bekannten von Master Dallet. Leider war mein Mann ein Verschwender, der mich in größter Not zurückgelassen hat.«
Als er den Groll in meiner Stimme hörte, drehte er sich zu mir um und sagte pietätvoll und heuchlerisch: »Mistress Dallet, auch wenn Euer Vater ein Ausländer war, so ist unsere Bruderschaft gleichwohl nicht so herzlos, als daß sie Witwen und Waisen der Zunft die Unterstützung versagen würde. Während Ihr zwischen Leben und Tod geschwebt habt, haben wir einen Arzt an Euer Bett geschickt. Und ich bin gekommen, um Euch zu sagen, daß Ihr die oberen Räume auf Lebenszeit bewohnen dürft, die, wie Ihr wißt, der Zunft gehören, desgleichen werden Euch auf unsere Kosten Kerzen und Feuerholz geliefert, solange Ihr Euch nicht wieder verheiratet. Aber ich war nicht darauf gefaßt, Euch so ausgeplündert anzutreffen. Das hier«, und damit zeigte er auf den kahlen Raum ringsum, »ist eine Schande für die Bruderschaft. Master Dallet war ein bedeutender Mann, ein Mann mit Phantasie, eines Oberhofmalers würdig, und das wäre er zweifellos eines Tages auch geworden. Doch nun, gemeuchelt von gemeinen Räubern – eine Tragödie. Und für uns eine noch größere Tragödie, als Ihr wissen könnt. Sein vorzeitiger Tod hat dazu geführt, daß er das Geheimnis seines Bindemittels mit ins Grab genommen hat.« Ha, ha. Das erklärt seine Herumschnüffelei im Atelier, dachte ich bei mir. Hier scheint jeder etwas anderes zu suchen.
»Bindemittel?« fragte ich mit groß aufgeschlagenem Unschuldsblick.
»Gewiß hat er Notizen hinterlassen…«
»Master Dallet war Maler, kein Schriftsteller. Er hat nichts als Skizzen hinterlassen. Die mußte ich zum Feueranzünden verwenden, doch viel getaugt haben sie nicht. Sie sind zu schnell verbrannt.« Ich muß zugeben, wenn man die dumme Gans spielt, hat man seine Ruhe. Mehr erwartet ohnedies keiner von einer Frau, und die einzige Gefahr besteht darin, daß man sich daran gewöhnt, und das wäre angesichts dieser gefährlichen Zeitläufte wirklich fatal.
»Mein Gott, diese Frauen! Sie würden noch die Sibyllinischen Bücher verbrennen und sich über den üblen Geruch beschweren. Nein, woher solltet Ihr auch etwas wissen? Wenn Ihr die Rezeptur hättet, sie wäre uns ein hübsches Sümmchen wert. Die Zunftversammlung hatte bereits getagt und beschlossen, ihm das Geheimnis abzukaufen. Doch er war immer so beschäftigt, nie hatte er Zeit…« Ha, genau das gleiche habt ihr bei Vater versucht. Und genau wie Vater hat er euch hingehalten. Er mußte mich erst heiraten, um es zu bekommen, und dabei hatte er mich nicht einmal gern.
»Ach, das ist wirklich jammerschade und für jeden von uns eine Tragödie.« Der Büttel hatte noch nicht einmal den Anstand, verlegen auszusehen. Der sitzt arg in der Klemme, dachte ich.
Ich könnte ihm ja das Bindemittel verkaufen, wenn sie mir nur glauben würden, aber mir würden sie wohl kaum zahlen, was Master Dallet bekommen hätte. Und, oje, Vaters rächender Geist würde aus dem Grab kommen, falls einer der alten Knacker von der Zunft, wie er sie immer nannte, sein größtes Arbeitsgeheimnis in die Hände bekäme. Ein Geheimnis muß ein Geheimnis bleiben und ist wahrscheinlich das Wertvollste, was er mir vermacht hat, abgesehen von zwei leergeräumten Zimmern, zehn Schilling, meinen Malutensilien und einer Laute, die ich angesichts der Sorgen, die selbst einen starken Mann in die Knie zwingen würden, nicht mehr anrühren mochte.
»Mistress Dallet, mit Verlaub,
Weitere Kostenlose Bücher