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Die Suche nach dem Regenbogen

Titel: Die Suche nach dem Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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Heiligen, dachte ich. Der alte Master Hull hatte nicht die geringste Ahnung, wie man einen lebendigen Fleischton erzielt, nachdem er die Untermalung fertig hatte. Oder vielleicht war es sein Bindemittel, was die Farben nach dem Mischen so glanzlos machte. Ich verwende Vaters Bindemittel, es war sein Geheimnis, und nur Master Dallet und ich kennen es. Es gibt den Farben etwas Durchscheinendes und macht so dünn, daß man mit mehreren Lasuren einen leuchtenden Hautton aufbauen kann.
    Vater hatte sein Bindemittel von seinen Reisen in Italien mitgebracht; er hatte den Helfer im Atelier eines großen Künstlers bestochen und danach endlos damit herumexperimentiert und war selbst Alchimisten um noch seltsamere Ingredienzen für seine Versuche angegangen. Master Dallet hatte probiert, ihm das Geheimnis mit Geld aus der Nase zu ziehen, dann mit der höchsten Form der Schmeichelei: Er nahm Unterricht bei ihm, was für ein Mitglied der Zunft, die Vater niemals aufgenommen hätte, eine große Herablassung war. Doch erst als er mich heiratete, verriet Vater ihm endlich das Geheimnis, das zusammen mit seinem Unterricht, wie man Ähnlichkeit zum Modell erzielt, der Schlüssel zu Master Dallets ganzem Erfolg war.
    »Und wer ist diese gräßliche Frau mit dem Drachenblick?«
    »Die Gattin des Bürgermeisters.«
    »Das sieht fertig aus.«
    »Es ist auch fertig. Sie will es nicht annehmen.«
    »Ach ja, das ist der Haken bei Porträts. Ein Heiligenbild nimmt jeder an. Aber ein Porträt? Man ist beleidigt, und der Maler bekommt keinen Penny für seine Mühe. Bei Porträts hat sich mein Seliger immer eine Anzahlung geben lassen. Hat behauptet, er müßte Material kaufen.«
    »Das geht nicht, wenn man es mit hohen Herren zu tun hat. Zuweilen nehmen sie es sogar an und bezahlen dann doch nicht.«
    »Warum hat es ihr nicht gefallen, abgesehen davon, daß es nicht lügt?«
    »Sie hat gesagt, sie wäre viel schlanker geworden, seitdem er das Bild gemalt hat, und wollte es übermalt haben. Mein Mann hat gesagt, er würde den Teufel tun und diese alte Wildsau noch mehr verschönern, und das ist der Stand der Dinge.« Mistress Hull prüfte das Gemälde aus der Nähe, dann aus der Ferne. Sie klopfte mit dem Fuß auf den Boden. Mir wurde allmählich klar, warum Master Dallet trotz einer sehr mäßigen Begabung soviel Erfolg hatte.
    »Hmm«, sagte sie. »Ich finde, da habt Ihr Eure erste Aufgabe. Macht die Taille der alten Schachtel schmaler, übermalt das Doppelkinn und befreit sie von den Runzeln zwischen den Augenbrauen. Dann schicke ich meine Cat damit zum Haus des Bürgermeisters und lasse ausrichten, daß Master Dallet den Schaden noch gerade vor seinem Tod ausbessern konnte und sie ähnlicher malte. Dann sehen wir, was sich ergibt.« Mit einer lose sitzenden Haut kann man nicht lachen; sie wabbelt, vor allem am Bauch. Und so lachte ich nicht, ich lächelte.
    »Eine ausgezeichnete Idee«, sagte ich. »Wollt Ihr einen Anteil?«
    »Bei diesem noch nicht«, antwortete sie. »Wenn die Aasgeier den Leichnam erst einmal saubergepickt haben, sehe ich Euch schon auf dem Fußboden schlafen. Und was nutzt es Euch, wenn Ihr krank werdet?« Sie versteckten den Rest des Lebensnotwendigen, darunter auch das beste Federbett und unsere größeren Kochtöpfe, und überließen mich meinen Gedanken, wie rätselhaft die Ehe doch ist. Als mein Mann noch lebte, hatte ich kein Wörtchen mitzureden, wie er sein und auch mein Geld ausgab. Aber als er tot war, besaß ich seine Schulden, so als hätte ich das Geld selbst durchgebracht. Und über diese Situation schweigt sich der Rathgeber für das treffliche Eheweib aus, obschon sie etwas ganz Alltägliches sein muß, und ich finde, mit einer Welt, die eine Ehefrau nicht als menschliches Wesen gelten läßt, bis man Geld bei ihr eintreiben kann, mit der stimmt etwas nicht. Und es war ganz typisch für Master Dallet, daß er mir noch aus dem Grabe mit dem Schuldturm drohte. Das genaue Gegenteil des sagenhaften König Midas, bei dem alles, was er anfaßte, zu Gold wurde. Master Dallets Berührung verwandelte Gold in einen Schuldschein des Büttels.
    Als letzter kam ein Advokat mit einer Papierrolle und zwei Arbeitern, und der war von allen am schlimmsten. Während die Arbeiter den Tisch und die Bank und die Bratpfanne hinaustrugen, schnüffelte der kalte, habgierige Kerl überall herum, durchwühlte die wenigen alten Sachen, die ich im Schrank gelassen hatte, und stöberte die Restbestände im Atelier auf der Suche nach

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