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Die Suche nach dem Regenbogen

Titel: Die Suche nach dem Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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einer Abendgesellschaft zu glänzen. Nein, wenn er den Mund halten soll, muß ich ihn tiefer verstricken, dachte sie. Sie lächelte und schob das Laken beiseite.
    »Schön«, sagte er, »Ihr seid reizvoller als Venus selbst.« Und während er sich zu einer zweiten Runde in Sachen Liebe bereit machte, beschloß sie, seinen Diener zu befragen, die Witwe ausfindig zu machen und herauszufinden, wessen Bildnis der Geist gemalt hatte. Da sie wegen ihrer Sorgen nicht so ganz bei der Sache war, konnte er sie entschieden weniger befriedigen als zuvor. Doch de Longueville, der seine Mätressen gern verunsicherte, freute sich über ihre Reizbarkeit und ließ sich von der Leidenschaft hinreißen und von den fein gesponnenen Geheimnissen ablenken, die er so kunstgerecht vor ihr verbarg. Das allerneueste war die Versendung eines Miniaturporträts von Mary Tudor, der Schwester des Königs, an Louise von Savoyen, die Mutter des französischen Thronerben, denn das hatte diese äußerst ernst zu nehmende und ehrgeizige Dame angefordert.

    Thomas Wolsey, Almosenpfleger des Königs, Mitglied des Kronrats, Bischof von Lincoln und im letzten Krieg gegen Frankreich Befehlshaber des Nachschubs, saß in seinem Studierzimmer in Brideswell, als man Robert Ashford, seinen Privat- Sekretär, meldete und dazu einen Priester, den Beichtvater von Jane Popincourt. Wolsey beriet sich gerade mit dem Küchenchef seiner Privatküche, der in einem Haushalt, in dem höchster Wert aufs Essen gelegt wurde, eine Persönlichkeit von großer Wichtigkeit war. Entsprechend war der Küchenchef in damastenen Satin gekleidet, trug eine goldene Kette um den Hals und benahm sich mit dem Selbstvertrauen eines Mannes, der über zwei Meisterköche für die Herrentafel, zwei Küchenaufseher, vier Küchendiener, zwei Gehilfen im Anrichteraum, einen Gehilfen in der Spülküche und einen Gehilfen in der Besteckspülküche gebot, ganz zu schweigen von einem Heer niederer Küchenjungen, Männer, Frauen und Kinder.
    Wolseys Umfang machte seine Leidenschaft für eine gute Tafel anschaulich, doch unter dem üppigen Fleisch und der scheinbaren Gesundheit verbarg sich eine schwache Verdauung, und um die drehte sich alles. Der Küchenchef der Privatküche hatte dafür zu sorgen, daß der Verdauungstrakt seines Herrn wie ein gut geöltes Uhrwerk arbeitete, denn solange die Wolsey-Uhr funktionierte, gedieh das Königreich. Wolsey war die geheime Macht, die sich seit dem Tode des schlauen, knauserigen alten Königs, der Heinrich VIII. gezeugt hatte, um Englands Zukunft kümmerte. In Wolseys fähigen Händen lag alles, was ein vergnügungssüchtiger junger König üblicherweise vernachlässigte. Immer wenn es Gesetze zu bedenken, Verträge abzuwägen, Papiere vor der Unterschrift zu prüfen galt, kurzum, wenn langweilige Arbeit im Studierzimmer drohte, war der König heilfroh, daß Wolsey ihm die Steigbügel hielt und zu ihm sagte: »Laßt Euch durch diese Angelegenheit nicht von der Jagd abhalten, Euer Majestät. Geht Eurem königlichen Vergnügen nach, während ich, Euer demütiger Diener, die langweiligen Pflichten des Kronrats auf mich nehme und Eure Geschäfte ganz in Eurem Sinne erledige.«
    Und Wolsey hatte die langweiligen Geschäfte so gut im Sinne des Königs erledigt, daß langweiliges Geld, langweilige Herrenhäuser und langweilige Bistümer wie reifes Obst in die beflissenen, wenn auch molligen Hände des Almosenpflegers gefallen waren. Augenblicklich nahmen zwei Großprojekte ganze Fächer des mit vielen Schubladen versehenen, ewig berechnenden Hirns in Anspruch, während das morgige Bankett in einer Schublade abgelegt wurde, die man »Verschiedenes, ständig Wiederkehrendes« nennen konnte. Bei dem ersten Projekt handelte es sich um die Suche nach einem Herrenhaus in der Nähe der Hauptstadt, jedoch ohne Pestilenzluft. Wolsey fürchtete sich vor Krankheit, wie sich nur ein Mann mit vielschichtigen und weitreichenden Plänen fürchten kann. Und so beschäftigte er Vorkoster, stellte Ärzte ein und ließ Wasser aus weit entfernten Quellen heranschaffen. Der Gedanke, daß etwas so Gewöhnliches wie vergiftete Luft seine prächtigsten Pläne zunichte machen könnte, war sozusagen Majestätsbeleidigung; er bevorzugte ebenbürtige Feinde. Er hatte sich einen Pachtvertrag für einen Herrensitz am Fluß verschafft, der Hampton Court hieß und wo die Luft seinen Ärzten zufolge bekömmlich sein sollte; jetzt plante ein Teil seines Hirns eine Residenz, die seiner Prächtigkeit

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