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Die Suche nach dem Regenbogen

Titel: Die Suche nach dem Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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Master Hull verloren habe, bin ich nicht so glücklich gewesen wie heute. Obschon natürlich nichts seinen Platz einnehmen kann… gleichviel, welche Farbe war das noch, Tom, die Master Ailwin herstellen kann? Ich glaube, ich verlege mich darauf, mein Garn selbst zu färben, sonst stimmen die Farben doch nie. Meine Einfälle bedrängen mich so, daß ich keine Ruhe finde, bis ich sie ausgeführt sehe, mit eigenen Augen. Ich sage Euch, es ist eine Erleuchtung von Gott.«
    »Erleuchtung fürs Strickzeug? Mutter, wie kannst du nur. Als ob sich Gott für so niedrige Dinge interessieren würde.«
    »Unfug. Wenn Sein Auge den Sperling sieht, warum dann nicht auch mein Strickzeug? Ich bin überzeugt, wenn ich die Bibel wie ein Priester lesen könnte, ich würde die Stelle finden. Und Sein Auge sieht gewiß auch ein übellauniges Mädchen. Warum bist du noch nicht mit der blauen Wolle fertig? Die brauche ich als nächstes.« Wir machten uns eilig auf den Weg, ohne einen Blick zurückzuwerfen.
    Es war ein bewölkter, feuchter und drückender Tag, Gewitter lag in der Luft. Ein seltsamer, schwüler Wind raschelte in den Bäumen. Wir durchschritten The Strand in Richtung Westminster in einer Menge von Gardesoldaten, Bogenschützen, Schreibern in Robe und Advokaten auf Maultieren. Hinter uns trieb ein Junge Schweine. Der Wind trug ihren erstickenden Gestank über uns hinweg. Etwas schien mich niederzudrücken. Bei Charing Cross blieben wir stehen, und ich blickte mich um. Nach Süden hin, zu unserer Rechten, erstreckten sich die Turnierplätze, und man konnte bis hierher hören, wie die Edelleute an den Hindernissen übten. Zu unserer Linken standen große Mietshäuser und die Häuser der Wohlhabenden, dahinter kamen die Mauern, Tore und Türme von York House. Ich spürte, wie mir im Nacken die Haare zu Berge standen. Wir wurden verfolgt, da war ich mir ganz sicher.
    »Was für eine furchtbare Luft. Wenn da nicht ein Gewitter im Anzug ist. Und ich für mein Teil bin froh, wenn es ausbricht.« Mit einer Hand zupfte Nan an ihrer Haube, in der anderen trug sie meinen Farbenkasten. Eine Bö zerrte an meinen Röcken. Ich blieb stehen, zog sie wieder zurecht und drehte mich unversehens um. In der Luft über uns meinte ich ein widerliches Gebrummel zu hören. War das etwa ferner Donner? Die grauen Wolken zogen jetzt schnell dahin. Es kam mir so vor, als sähe ich hinter uns eine große Gestalt in Schwarz in einem offenen Torweg verschwinden. War das der grausige Mörder? War er uns gefolgt, wollte er mich allein erwischen?
    »Nan«, flüsterte ich. »Ich könnte schwören, ich habe ihn gesehen – jenen Mann. Er verfolgt uns.« Nan blickte entsetzt. Wir näherten uns jetzt dem Torhaus zum großen Hof von York House. Drinnen wird er es nicht wagen, uns zu belästigen, dachte ich. Da wimmelt es von Gesinde. Am Tor sind Wachposten. Von panischem Schrecken ergriffen, fing ich an zu rennen, und Nan immer hinter mir her, so gut es ging, denn der schwere Kasten rumpelte und klapperte beim Laufen. Die ersten Regentropfen fielen. Warmer Regen, doch nicht genug, um die Luft zu reinigen. Jetzt hatten wir es beinahe geschafft, vor uns ragte das Torhaus auf. Ich zog den Kopf ein und rannte darauf zu. Doch ich war wie blind, verlor den Halt und stieß mit jemandem zusammen. Kräftige Männerarme packten mich. Ich fand das Gleichgewicht wieder und wollte mich schreiend losreißen.
    »Still, still, Transuse. Wollt Ihr mir die Wache auf den Hals hetzen?« Er legte mir die Hand auf den Mund, und ich merkte, daß er mich durch die kleine Seitenpforte zog.
    »Susanna, du dumme Gans, das ist doch Master Ashford. Und er ist vor dir, nicht hinter dir. Halt den Mund und mach die Augen auf.« Das tat ich und blickte dem eindeutig mißbilligenden Robert Ashford ins Gesicht, Wolseys Sekretär. Ich merkte, daß ich errötete.
    »Und was habt Ihr schon wieder angestellt, daß Ihr flieht, als wäre der Leibhaftige hinter Euch her?« Seine Stimme klang so angewidert, als hätte er einen Straßenjungen beim Apfelstibitzen erwischt.
    »Da ist ein Mann, ein gräßlicher Mann«, keuchte ich.
    »Dem Ihr zweifelsohne ein falsches Gemälde von einem toten Meister angedreht habt oder einen vergoldeten Bleibarren, während Ihr Euch wieder einmal als arme Waise und Witwe herausredet. Ist Euch nie die Idee gekommen, daß Ihr eines Tages für Eure Dreistigkeit zahlen müßt?« Da wurde mir klar, daß er mir nicht glauben würde, was ich über Sir Septimus Crouch zu sagen hatte.

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