Die Suche nach dem Regenbogen
Wolsey, bringt mir das Papier, das Ihr vorbereitet habt. Die Rede hier mußt du lernen, Schwester, bis du sie auswendig vortragen kannst. Und morgen halten wir eine offizielle Audienz ab, auf der du dich von diesem falschen und bösartigen Prinzen Karl lossagst.« Es raschelte, und der ehrfurchtgebietende Wolsey holte eine Rolle mit Papieren unter seinem Obergewand hervor. Es waren Dokumente, die unterzeichnet werden mußten, und eine blumige Rede für Mary, in der sie ihr Ehegelöbnis aufkündigte. Wolsey hatte sich selbst übertroffen. Als er die Rede laut vorlas, lächelte König Heinrich und nickte. Die Schuld lag bei Karl; er war schlecht beraten und hatte sich von böswilligem Klatsch gegen sie einnehmen lassen. Und mit seinem Treubruch hatte er sie so gedemütigt, daß sie nun alle eheliche Zuneigung widerrief. Der Ehevertrag war null und nichtig. Aus eigenem Entschluß durchtrennte sie das eheliche Band. Marys Miene wechselte von übellaunig zu erstaunt, während sie den Worten lauschte, die sie vortragen sollte.
»Ihr müßt natürlich damit enden, daß Ihr den König um Verzeihung bittet, und erklären, daß Ihr ihm in allen Dingen gehorsam seid und er mit Euch nach seinem Belieben verfahren möge. Also, ich wiederhole das jetzt langsam, und Ihr sprecht mir bitte nach«, sagte Wolsey, während er mit halbem Auge Heinrichs Reaktion abschätzte. Die Miene des Königs strahlte höchste Zufriedenheit aus.
»Gut gemacht, Wolsey, gut gemacht. Ihr habt mir in dieser Sache hervorragend gedient.«
»Euer Majestät, ich lebe nur dafür, Euch so zu dienen, wie Ihr Euch selbst dienen würdet, hättet Ihr Zeit für diese kleinen Einzelheiten.« Wolsey hatte Rede und Urkunden in der Woche zuvor aufgesetzt. Er hatte nie daran gezweifelt, daß es leicht sein würde, diese schwache Frau für seine weitreichenden Pläne einzuspannen.
Strahlender Sommersonnenschein fiel durch die schmalen, rautenförmigen Fenster in Bischof Wolseys Kabinett. Draußen in seinem Obstgarten wetteiferten zwitschernde Vögel, während Gärtner die schwersten der fruchttragenden Äste abstützten. Drinnen ging Wolsey seit dem Morgengrauen mit Master Cavendish die Listen durch. Der größte Coup seiner diplomatischen Karriere durfte nicht an einer einzigen falsch geregelten Einzelheit scheitern. Wolsey mußte nämlich zwei Hochzeiten planen: eine durch Stellvertreter in England und eine in Frankreich, bei der sich die Blüte des englischen Adels die Ehre geben würde. Englische Pferde, englische Soldaten, englische Zelte für das Hochzeitsturnier, alles, von den Wagen für das Brautsilber bis hin zum Nachtgeschirr, mußte aufgelistet und abgerechnet werden. Ein ganzes Heer von Sekretären und Schreibern hatte ihm die Listen zur Überprüfung vorbereitet. Vierzehn Schiffe waren für den Transport zur Verfügung gestellt worden.
»Tafelsilber, ja. Das große Salzgefäß, hmm, Servierschüsseln, Kerzenhalter, alles da. Laßt sehen – zwei Wagen, zehn Stuten zum Ziehen, jede zehn Pence den Tag… Cavendish, habt Ihr die Liste der Ehrenjungfrauen, die die Prinzessin begleiten?«
»Hier ist sie, Euer Gnaden.« Mit einer geschmeidigen und gefälligen Geste überreichte Cavendish die Liste.
Wolsey legte sie auf die Listen mit dem Brautsilber, den Pferden, dem Leinen und den Bettvorhängen und überprüfte sie eingehend mit dem guten Auge. »Was ist das? Die muß gestrichen werden, ihr Vater ist nicht bedeutend genug. Und hier… was hat Mistress Popincourt auf der Liste zu suchen?«
»Die Prinzessin hat sie ausdrücklich angefordert. Und Ihr habt gesagt, ich sollte Damen den Vorzug geben, die ein gutes, sauberes Französisch sprechen. Die sind schwerer aufzutreiben, als man denken sollte –«
»Der König von Frankreich hat mir einen Brief geschickt. Mistress Popincourt, so ist ihm zu Ohren gekommen, hat einen schlechten Ruf. Sie soll de Longueville vor seiner Rückkehr nach Frankreich ihre Gunst geschenkt haben. Er möchte nicht, daß seine Braut solch schlechten Einflüssen ausgesetzt ist.«
»Hat er sie namentlich erwähnt?«
»Namentlich. Und sie ist nicht die einzige. Mir scheint, seine Kundschafter machen Überstunden. Hm – hier sehe ich Mary Boleyn, die Tochter von Sir Thomas. Auch sie wurde erwähnt. Streichen. Hat Sir Thomas schon auf meine Bitte um die andere Tochter geantwortet? Ihr Französisch soll hervorragend sein, und sie ist bei der Regentin der Niederlande gut in höfischen Umgangsformen geschult worden.«
»Er hat an
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