Die Suche nach dem Regenbogen
charmant.«
Der mächtige Wolsey lachte stillvergnügt. »Daran habe ich auch schon gedacht«, sagte er. »Laßt mich die Skizze sehen.« Stumm hielt ich ihm die Abbildung seiner geheimen Wünsche hin. »Sehr gut«, sagte er und nickte. Ich blieb über Nacht und vollendete das schimmernde Rot und die Kleinodien auf dem geheimen Porträt im Licht des neuen Tages.
»Man hat mir befohlen, Euch nach Haus zu begleiten.« Ich blickte erschrocken von dem Wassergefäß auf, in dem ich meine Pinsel und die kleine Perlmuttpalette auswusch. Robert Ashford stand zerzaust und griesgrämig an der Tür. Einige seiner Schulternesteln waren nicht zugeschnürt, und rasiert hatte er sich auch nicht. Unter seinen Augen waren dunkle Ringe, und die Falten in seinem Gesicht wirkten tiefer.
»Und was bringt Euch auf die Idee, daß ich begleitet werden möchte? Und noch dazu von einem übellaunigen Mann, der eindeutig die ganze Nacht lang getrunken hat? Geht zu Bett, bis Ihr Euch wieder am Tag freuen könnt.«
»Und Ihr freut Euch wohl allzusehr daran. Der Morgen des Triumphes. Kein Wunder, daß Ihr so hoch in Gunst steht. Ihr seid eine Meisterin in der Kunst der Verstellung. Euer Ehemann verschwindet praktischerweise, als Ihr hinter seine Geheimnisse kommt. Dann schmeichelt Ihr Euch mit Euren Gemälden in den Häusern hochgestellter Männer ein. Gut gemacht, aber wie heuchlerisch! Und wenn Ihr deren schmutzige Lüste gestillt habt, können sie so tun, als wäre es das Honorar für ein, zwei Bilder. Alles über die Rechnungsbücher und offengelegt wie die Kosten für einen Kirchensänger oder eine Rinderseite. Ich hätte es nie geglaubt, wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte. Ihr widert mich an.« Er war ins Zimmer gekommen und stand mir jetzt genau gegenüber. Ich glaube, er wollte einschüchternd aussehen, doch mein Buch sagt, Tugend ist eine starke Rüstung gegen böse Zungen, daher ließ ich mich nicht einschüchtern. Aber Nan, die nicht viel von Büchern hält, blickte erschrocken.
»Wehe, Ihr meint, was ich da heraushöre.«
»Ich meine es und noch viel mehr. Glaubt Ihr etwa, ich weiß nicht, mit wem Ihr Euch gestern eingeschlossen habt? Eineinhalb Stunden lang?«
»Und was habt Ihr getan? Draußen vor der Tür gelauscht? Dann wißt Ihr ja auch, daß Nan bei mir war, und Ihr solltet Euch schämen, eine Witwe in Verruf zu bringen.« Nan nickte heftig Zustimmung.
»Über Euren Ruf braucht Ihr Euch keine Sorgen zu machen, falsches Weib. Ihr steht Euch jetzt viel zu gut mit dem Herrn, als daß ich ein Sterbenswörtchen sagen dürfte. Aber ich weiß auch, daß er Eure Dienerin draußen warten hieß.«
»Und die Tür zum Vorzimmer offenstehen ließ.«
»Offen? Ha, sechs Zoll. Tugendreiche sechs Zoll! Was kann man in einem Zimmer nicht alles hinter sechs heuchlerischen Zoll treiben!«
»Und was interessiert Euch so an diesen sechs Zoll? Daß der Spalt zu klein für Eure Schnüffelnase war? Oder lauerte Master Cavendish hinter Euch und hinderte Euch am Spionieren?«
Bei der Erwähnung des glattzüngigen und diplomatischen Cavendish lief er so karmesinrot an, daß ich fürchtete, er könnte bersten. Mit dem ersten Schuß ins Schwarze getroffen, dachte ich. Cavendish ist ins Vertrauen gezogen worden und er nicht. Und mit der Aufforderung, mich nach Haus zu bringen, reibt ihm Wolsey das auch noch unter die Nase.
»Wenn Ihr weniger hochmütig wärt, könntet Ihr in seiner Gunst steigen«, sagte ich, um ihn noch mehr zu reizen. Irgendwie verlangte diesen Mann danach, gereizt zu werden, und wer war ich, daß ich der Verlockung widerstand?
»Jezabel«, fauchte er, während er hinter uns den Raum verließ. Schweigend folgte er uns durch die schlammigen Straßen. Als wir die ›Stehende Katze‹ erreicht hatten, machte er kehrt und verließ uns wortlos. Nan und ich standen da und sahen ihm nach; seine Kniehose schlug Falten, sein Barett saß schief, und sein Gang war zornmütig.
»Was ist nur in einen großen Mann wie den Bischof gefahren, daß er einen so unleidlichen Menschen um sich duldet?« fragte Nan.
»Ich glaube, er eignet sich gut für Aufträge im Ausland«, antwortete ich.
»Als Diplomat?« höhnte Nan. »Dann stellen die Ausländer, was Manieren angeht, keine so hohen Ansprüche wie wir Engländer.«
Kapitel 13
I n der Nacht hatte es ein wenig geregnet, und in den frühen Morgenstunden hatte die Feuchtigkeit Kraniche zur Futtersuche auf die hügeligen Wiesen jenseits der Loire gelockt. Diesem glückhaften
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