Die Suche nach dem Regenbogen
Dreiviertelansicht wirkt sehr vornehm. Bei Porträts ist das sehr in Mode. Profil ist altmodisch.«
»Ich bezweifle, daß Ihr daraus eine Dreiviertelansicht machen könnt. Denn ich möchte das hier auf dem Kopf tragen. In der gleichen Farbe wie die Robe.« Jetzt war mir alles klar. Er hatte aus dem Schreibtisch eine alte Medaille geholt, die das Profil eines verstorbenen Kardinals zeigte. Er wollte mit dem Kardinalshut auf dem Kopf gemalt werden. Und in der Zurückgezogenheit seiner Winternächte würde er dieses Bild dann anstarren und seinen Ehrgeiz sammeln wie Truppen, die eine Stadtmauer erklimmen wollen. Er würde Kardinal werden, koste es, was es wolle.
»Dann möchtet Ihr das Bildnis wie die Medaille haben?«
»Genau so.« Ich begann, meine Farben aufzureihen. »Ich bin ein vielbeschäftigter Mann«, sagte er, »es muß schnell gehen.«
»Dann fange ich hier damit an und beende es im Atelier«, sagte ich.
»Ich möchte nicht, daß Ihr es mit ins Atelier nehmt. Wer geht dort ein und aus? Ich höre, daß Reisende dieser Tage stehenbleiben und sich die Wunderdinge ansehen, als bestaunten sie die Männer, die am Kirchturm von St. Paul's die Stunde schlagen. Nein, Ihr bliebt hier, bis es fertig ist, hier kann Euch niemand zusehen.« Draußen krachte der Donner, und der Regen prasselte, als hätte man Schleusentore geöffnet. Ich beeilte mich, das Fenster zu schließen. Auf einmal hatte ich Angst.
»Ich werde Kerzen brauchen, Euer Gnaden, wenn es wegen der Wolken noch dunkler wird. Ich denke, ich bin vor Einbruch der Nacht fertig… ich denke…«
»Wenn der Regen aufgehört hat, soll Euch eine Eskorte nach Haus begleiten. Wenn nicht, könnt Ihr mit Eurer Dienerin bleiben, bis es fertig ist«, sagte er, faltete die Hände im Schoß und ordnete sein Doppelkinn, während ich sein Profil auf dem Pergament skizzierte.
»Bitte, den Kopf stillhalten… ja, so ist es am kleidsamsten«, sagte ich, damit er sich nicht bewegte.
»Ihr werdet ohnedies bald packen müssen«, sagte er.
»Euer Gnaden, was meint Ihr damit?«
»Wie das? Haben Cavendish oder Ashford Euch nichts gesagt? Ich habe Vorkehrungen getroffen, daß Ihr mit Prinzessin Marys Hochzeitsgefolge segelt. Ihr sollt ein paar Gedenkminiaturen für Seine Majestät malen und für meine Sammlung verschiedene Porträts von Leuten am französischen Hof. Ich habe Euch eine Liste zusammengestellt. Ashford hat sie. Habt Ihr das großformatige Porträt des französischen Königs von Perréal gesehen? Nein? Also, wir Engländer müssen ihnen zeigen, daß wir in den Künsten nicht hinter ihnen zurückstehen. Nein, ganz, und gar nicht. Selbst unsere Frauen malen besser als Perréal. Seid Ihr ganz sicher, daß Ihr das Porträt nicht bei Eurem Aufenthalt in Greenwich gesehen habt?«
»Euer Gnaden, ich hatte noch nicht die Ehre, die Gemälde in Greenwich zu sehen.«
»Ach – dann muß dafür gesorgt werden, dafür muß gesorgt werden, Ihr sollt sie nämlich mit denen des Königs von Frankreich vergleichen, wenn Ihr dort seid. Der König von England hat mich gefragt, welche Gemälde des neuen Stils der französische König besitzt. Er möchte größere haben. Meisterwerke. England darf in der Malerei nicht hinterherhinken. Ihr werdet Euch also unauffällig erkundigen, damit niemand etwas merkt, und dann schickt Ihr mir ein Bestandsverzeichnis. Das ist meinen Kundschaftern nicht gelungen. Sie schreiben ›eine schöne große Geburt Christi ‹, doch nicht, wie groß oder in welchem Stil, nicht einmal, wer sie gemalt hat. Ja. Und Ihr werdet mir das verschaffen. Dann besorgt sich unser König eine noch größere, in besserem Stil und noch besser gehängt. Und ganz beiläufig, beiläufig versteht sich, werde ich mit den französischen Gesandten in der Galerie an den Gemälden vorbeischlendern. Und wenn sie sagen: ›Ah, diese kleine Geburt Christi , wie provinziell, wie reizend und charmant, habt Ihr nichts von Leonardo?‹, dann weiß ich, daß sie lügen, lügen!«
Während ich malte, überlegte ich, was da wohl mit Frankreich verhandelt werden sollte. Eins stand fest: Eine Prinzessin zu verheiraten war schwieriger, als ich gedacht hatte.
»Ihr seht niedergeschlagen aus. Warum freut Ihr Euch nicht über diese Ehre?« fragte der große Mann.
»Euer Gnaden, es ist mir ein Vergnügen, Euch in allen Dingen zu gehorchen, aber ich dachte gerade daran, wie ich reagieren würde, wenn ein französischer Höfling sagte, meine Gemälde wären provinziell, reizend und
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