Die Suche nach dem Regenbogen
Crouch war ein Edelmann, ein Ritter, und er wurde bei Wolsey empfangen. Ich hatte sie wie die dicksten Freunde miteinander reden sehen. Ich war ein Niemand, ein weiblicher Niemand.
»Nicht, was Ihr denkt. Ich habe Pech gehabt und mitbekommen, wie ein bedeutender Edelmann heimlich einen Mord begangen hat. Jetzt scheint mir – scheint mir…«
»Scheint Euch, daß er Euch verfolgt. Macht das Euer schlechtes Gewissen, daß die Phantasie so mit Euch durchgeht? Wie kommt Ihr darauf, daß ein bedeutender Edelmann, der einen Mord begangen hat, sich die Mühe machen würde, Euch durch die Straßen von London zu verfolgen? Ein bedeutender Edelmann würde seine Gefolgsleute schicken und Euch vor Eurer eigenen Haustür abfangen.« Er begleitete uns die Treppe hinauf und durch die unübersichtlichen Flure und Audienzzimmer im prächtigen erzbischöflichen Palast. »Nein, diesen bedeutenden Edelmann habt Ihr Euch eingebildet. Ihr brächtet es sogar fertig, Euch auch noch den Mord einzubilden. Zwei Betrunkene auf der Straße, einer von ihnen fällt hin, und schon dichtet die weibliche Phantasie den Rest dazu. Wir sind da. An dem Vorzimmer vorbei, dort, wo Ihr die Arbeiter Gobelins aufhängen seht, dort befindet sich sein neues Kabinett. Er erwartet Euch.«
»Aber – aber wenn Ihr gesehen hättet, wie ein bedeutender Edelmann jemanden mit dem Messer ersticht, weil er ihm einen Schatz rauben will, was würdet Ihr tun?«
»Natürlich das Land verlassen. Meinen Namen ändern. Mir einen großen schwarzen Hut und einen Umhang als Verkleidung zulegen.«
»Jetzt macht Ihr Euch über mich lustig. Das kann ich doch alles nicht.«
»Dann seid auch nicht überrascht, wenn Euer und mein Herr Euch nicht auffordert, auch nur eines davon zu tun. Ich habe ihm die Liste Eurer Dienerschaft gegeben. Jetzt verwendet Eure blühende Phantasie einmal darauf.« Damit schob er mich unter dem Türbogen hindurch in das Vorzimmer und verschwand wie ein Schatten, und sein Abscheu wehte hinter ihm her und ein unangenehmer schwüler Geruch.
Seltsamerweise traf ich Wolsey allein an. Nicht einmal Cavendish, das Schoßhündchen, war zugegen. Doch vor der geöffneten Tür meinte ich Schritte zu hören, als lungerte da draußen ein Mensch herum, ein Lauscher. Wolsey saß auf einem schweren Eichenstuhl, der so reich geschnitzt und gepolstert war wie ein Thron. Nachdem ich seinen Ring geküßt hatte, befahl er mir, Nan ins Vorzimmer zu schicken und sie anzuweisen, die Tür bis auf einen Spalt von sechs Zoll zu schließen, damit jeder wußte, daß er beschäftigt war. O je, dachte ich. Gleich macht er mir einen gräßlichen Antrag. Und ich wage nicht, ihn abzuweisen.
»Mistress Dallet, ich möchte, daß Ihr auf dieses heilige Buch schwört, daß Ihr niemals preisgebt, was in diesem Raum vor sich gegangen ist.« Jetzt hatte ich wirklich Angst. Angenommen, er glaubt eines Tages nicht mehr an meine Verschwiegenheit und beschließt, daß ich in einem tiefen Verlies noch viel besser schweigen kann?
»Ich schwöre es, Euer Gnaden. Gottes Rachestrahl möge mich treffen, wenn ich je ein Wort verrate.« Der Schwur war nicht gerade kurz, und als ich ihn hinter mich gebracht hatte, war ich völlig verschüchtert.
»Und nun«, sagte der Erzbischof von York, beugte sich erschreckend vertraulich vor und lächelte, daß ich überzeugt war, er wollte etwas Unzüchtiges von mir, »sollt Ihr ein Porträt von mir malen, für meinen Privatgebrauch. Niemand darf wissen, daß es existiert. Es ist ausschließlich für mich gedacht.«
O je, dachte ich. Als ob Adam nicht genug war. Der hier gibt sich gewiß nicht mit Ranken oder einem großen See zufrieden. Na schön, wenigstens ist es kein unsittlicher Antrag.
»Seht Ihr dieses Material, seht Ihr, wie schwer es ist, wie es schimmert? Könnt Ihr das malen?« Wolsey hatte eine Stoffprobe aus purpurroter Seide hervorgeholt, sie maß ungefähr zwei Handspannen und glänzte im Licht.
»Ja, Euer Gnaden.«
»Ich möchte, daß Ihr mich im Profil malt – die gute Seite, die linke, und in einer Robe, so geschnitten wie die, die ich jetzt trage, aber in der Farbe hier.« Mir fielen Steine vom Herzen. Ich kann jeden malen, wenn er bekleidet ist.
»Selbstverständlich kann ich das. Aber warum im Profil?«
»Mein rechtes Auge – ich möchte nicht, daß Ihr das malt.«
»Mit Verlaub, Euer Gnaden, wenn ich Euch in einem Gewand malen kann, das Ihr nicht anhabt, dann kann ich auch Euer rechtes Auge so schön wie Euer linkes malen. Die
Weitere Kostenlose Bücher