Die Suche nach dem Wind
Rantaris fern! Du bist ein wirklich großer Magier, doch Karon bist selbst du nicht gewachsen. Kein Rhan ist das. Das weiß ich aus leidvoller Erfahrung. Im Gegensatz zu uns kann er gleichzeitig mehrere Zauber wirken, bezieht unglaubliche Energie aus der Schlangenburg und ist mit Dämonen im Bunde. Sprenge den Berg und du setzt Kräfte frei, die niemand kontrollieren kann. Ihm wird es auf Rantaris nicht gefallen haben. Und in seiner Rache wird der Schwarzmagier keine Ruhe geben, bevor der letzte Rhan sein Leben ausgehaucht hat.«
Sie sah ihren nachdenklich wirkenden Enkel an und fügte an: »Himmel, Kind, benutze deinen Verstand! Du wirst deinen Kopf doch nicht nur haben, um vielleicht einmal einen Hut draufzusetzen.«
»Wie soll ich das Erik erklären? Es geht immerhin um seinen Vater, und ich gab ihm mein Versprechen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Der ist hoffentlich nicht blöd. Du erklärst es ihm und er wird verstehen. Sollte das nicht der Fall sein, löscht du seine Erinnerung. ... Sieh mich nicht so ungläubig an und verkneif dir endlich einmal deine ewige Gefühlsduselei! Es geht hier nicht um eine einzige Familie oder um zirka sechzig Rhan, es geht um Millionen. Was zu ihrem Schutz getan werden muss, muss getan werden ohne Wenn und Aber. Meine Erziehung wird doch nicht so versagt haben, dass du daran Zweifel hast? Du wirst mir jetzt schwören, diesen Planeten nicht zu betreten.«
»Was?« Er schluckte heftig.
»Schwöre es mir, oder du wirst diesen Raum nicht lebend verlassen.«
Ihr Enkel starrte sie fassungslos an und seine Stimme war kaum zu hören, als er endlich herausbrachte: »Von dir bin ich einiges gewöhnt, aber das kann nicht dein Ernst sein. Sag, dass das einer deiner gelungenen Scherze war!«
Auf ihr Schweigen hin fragte er: »Könntest du mich tatsächlich töten?«
»Ich sage nicht, dass es mir leicht fiele, aber wenn ich mich zwischen dir und der Sicherheit Rhanmarús entscheiden muss, dann bleibt mir keine Wahl, denn ich werde immer tun, was getan werden muss.« Die Stimme der Oberin klang genauso tonlos wie die ihres Enkels zuvor.
Beide sahen sich lange in die Augen, und die Stille wurde nahezu beklemmend. Schließlich beugte er sein Knie und legte mit heiserer Stimme den verlangten Schwur ab. Mühsam, als wäre er um Jahre gealtert, und mit bleichem Gesicht erhob er sich wieder.
»Sieh mich nicht an wie ein geprügelter Hund! Ich hab dir gesagt, dass ich es ungern getan hätte. Das war sehr familiär gedacht und muss doch reichen. Hast du diesem Unglückswurm Erik schon etwas von deinen Vermutungen erzählt?«
Er schüttelte nur stumm den Kopf.
»Dann ist die Angelegenheit erledigt. Jetzt will ich mir deinen Begleiter ansehen.«
Bevor der Ringlord auch nur halbwegs verinnerlicht hatte, was gerade geschehen war, öffnete sich die Tür und ein strahlender, leicht erröteter Lennart betrat den Raum. Er verbeugte sich formvollendet und überreichte der alten Dame einen Strauß Wiesenblumen.
»Es ist mir eine ungeheure Ehre, von Euch empfangen zu werden, Ehrwürdige Mutter Oberin. Hätte ich vorher davon erfahren, hätte ich nach einem angemesseneren Geschenk gesucht. So blieb mir nur die Zeit, ein paar Blumen zu pflücken. Ich bitte um Entschuldigung.«
»So ein lieber Junge«, flötete die Oberin entzückt. »Wie der Vater, so der Sohn. Adolphus ist bestimmt stolz auf dich, und ein schöneres Geschenk hättest du mir gar nicht bereiten können. Kostbarkeiten und Einzelstücke lagern zuhauf in meinem Keller, doch ich liebe den Duft von Wiesenblumen. Aeneas ist in seinem ganzen Leben nicht einmal auf die Idee gekommen, mir welche zu pflücken. Aber er macht mir ja auch keine anderen Geschenke, immer nur Scherereien. Wir werden jetzt in den Salon gehen und ein Glas Wein trinken. Aeneas, geh schon vor, Adolphus Sohn wird mich stützen. Wir nehmen den Lift.«
Lennart lächelte sie charmant an und bot ihr formvollendet den Arm. Lediglich ein Blick auf seinen wie versteinert wirkenden Freund irritierte ihn.
Eriks saß zur selben Zeit an seinem Computer. Regen prasselte gegen die Scheiben und überall verteilt lagen Shirts und Hosen, die er mitnehmen wollte. Holly hatte ihm aber eine SMS geschickt, dass sie seinen Koffer packen wollte, damit sie sich mit ihm sehen lassen konnte. Also hatte er seine Aktion abgebrochen und las jetzt etwas über die Geschichte Rhanmarús. Der Nachname seines Vormunds tauchte tatsächlich permanent auf, dessen Vorname allerdings auch. Seit vielen tausend
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