Die Suche nach dem Wind
Jahren schienen die van Rhyns Aeneas zu heißen.
Es klopfte, und Erik fuhr erschrocken zusammen. Auf sein »Komm schon rein!« wurde die Tür geöffnet, doch nicht von Holly. Rufus, der Bibliothekar, lugte ins Zimmer.
Erik stotterte überrascht eine Entschuldigung, aber der hagere Mann winkte ab. »Ich kann es nicht oft genug sagen: Ich muss mich entschuldigen. Ich hätte die Kraft aufbringen müssen, Marcks zu widerstehen, stattdessen hätte ich dich fast umgebracht. Dass mir trotzdem das Leben geschenkt wurde, sehe ich als Chance der Wiedergutmachung. Du hast mir schon vergeben, doch dadurch ist meine Schuld nicht abgetragen. Ich will, ich muss dir helfen und bin daher die alten Akten noch einmal durchgegangen und fand einige Ungereimtheiten, die damals im Durcheinander und in der Trauer untergegangen sind. Der Siegelring deines Vaters ist zum Beispiel nie gefunden worden. Willst du meine Mutmaßungen hören?«
Erik wusste darauf nichts zu sagen und nickte nur.
Sein Besucher fuhr auch schon fort: »Ich sollte dir zuvor vielleicht sagen, dass ich deine Mutter sehr schätzte. Dein Vater hatte mich seinerzeit eingeweiht, weil ich die Personalakten verwaltete und sie eine Rhan-Identität benötigte. Sie war stets freundlich, hilfsbereit und bemüht, nach unseren Regeln zu leben. Ihretwegen habe ich versucht, dich mit der Spinne und der Warnung zu vertreiben. Ich ahnte, dass dir hier Schlimmes widerfahren würde. Sie war eine edle Frau und dein Vater war ... Ihr denkt, er könnte noch leben, nicht wahr? Das wurde mir klar, als der Ringlord nach den Akten zum Brand fragte.«
Der Junge räusperte sich unbehaglich, denn eigentlich hatte er ja versprochen, mit niemandem zu reden.
Der schien zu spüren, was in ihm vorging, kam zum Schreibtisch, schlug ein Buch auf und zeigte Erik die Karte eines Planeten. »Du musst mir nichts erzählen, wenn du nicht willst. Hör einfach nur zu! Was du da siehst, ist Rantaris, der Planet der verlorenen Seelen. So wurde er genannt, weil er lange Zeit als Gefängnisplanet diente. Kein schöner Planet, aber bewohnbar!« Er erzählte vom Iridium und dessen Anziehungskraft und zog denselben Schluss, den zuvor Aeneas gezogen hatte.
Erik hatte gespannt gelauscht, ein Wechselbad der Gefühle zwischen Glückseligkeit und Trauer durchlebt und fragte im Anschluss daran: »Dann besteht also für meinen Vater keine Möglichkeit, den Planeten jemals wieder zu verlassen?«
Der Alte schüttelte ungeduldig den Kopf. »Gibt es für dich plötzlich nur noch Magie? Das Iridium muss gesprengt werden. Je kleiner die Brocken, desto unwirksamer werden sie. Du darfst sie nur nicht mit dir herumtragen. Ausreichend Dynamit und der Planet ist frei.«
»Wenn das so einfach geht, warum hat es denn bisher niemand gemacht?«
»Rantaris selbst bietet keine Rohstoffe dafür, deshalb wurde der Planet ja ausgewählt, und die Sträflinge hatten selbstverständlich nichts Brauchbares dabei, wenn sie ankamen. Und, wie ich schon sagte, besonders schön ist es dort nicht. An diesem Planeten hatte offenbar niemand Interesse.«
In Eriks Ohren klang alles logisch und jetzt vor allem auch ziemlich einfach. Er spürte, wie sein Herz schneller schlug, und strahlte den Bibliothekar an. »Vielen Dank, dass Sie mir das erzählt haben. Ich werde gleich mit Aeneas darüber reden, wenn er wiederkommt.«
»Was glaubst du, warum ich zu dir gekommen bin, mein Junge? Genau das solltest du noch einmal überdenken!«
»Warum?« Eriks Gesicht war ein einziges Fragezeichen.
»Denk mal nach! Dein Vater hat einen Eid gebrochen, eine Marú hier eingeschleust und damit Hochverrat begangen. Wenn der Ehrwürdige ihm hilft, macht er sich selbst zum Verräter. Willst du dafür verantwortlich sein, dass er vor das Tribunal gestellt wird?«
Seine Freude war wie weggeblasen. Traurig schüttelte er den Kopf, woraufhin Rufus seine Schulter drückte. »Das muss nicht das Ende sein. Nur Erwachsene werden vor das Tribunal gestellt. Jugendliche erwartet höchstens ein längerer Hausarrest. Ihre Bestrafung obliegt schließlich den Eltern oder den zuständigen Ringlords. Denk darüber nach, Erik! Mehr kann ich nicht für dich tun.« Er wandte sich ab.
Erik konnte gerade noch ein »Danke!« herausbringen, bevor Rufus aus dem Zimmer schlurfte.
Lange Zeit saß er nur da und starrte gedankenverloren vor sich hin. Eins war sicher: Aeneas durfte seinen Vater auf keinen Fall retten. Ebenso sicher war leider auch, dass er es allein nicht schaffen
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