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Die Sünde aber gebiert den Tod

Die Sünde aber gebiert den Tod

Titel: Die Sünde aber gebiert den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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gekochten Eiern in heller Buttersoße mit Dill gewürzt, einer Platte mit Hühnern im Kräutermantel, am Spieß gebraten. Es gab Kürbiseintopf und Weißkohl mit fettem Schweinespeck, Brei von grünen Erbsen, goldgelben Käse, Bratäpfel, in den letzten Resten von Elsas Wein gegart, und süße Wecken mit Rosinen, die mit zuckrigem Mandelguss überzogen waren.
    Wein war noch immer rar, also standen Krüge mit Grutbier bereit, die der Wirt des Adlers bereitwillig geliefert hatte.
    Bald waren alle wohl gesättigt und nippten an dem Bier, das in reichlichem Maße vorhanden war. Wein hätte ihr besser geschmeckt, fand Almut, das Bier war zwar süßlich, hatte aber einen bitteren Beigeschmack.
    »Welche Kräuter habt Ihr als Grut verwendet, Frau Franziska? Der übliche Gagel und Wacholder sind es nicht«, stellte Elsa fest.
    »Nein, ist das hier üblich?«
    »Aber sicher. Jeder, der Bier braut, muss die Würze aus dem städtischen Gruthaus beziehen. Die Grut gehört dem Erzbischof, der sie verpachtet hat. Er nimmt auch die Bierakzise ein.«
    »Ah, daher Simons erfreutes Grinsen! An diesem Bier hat der Erzbischof nichts verdient!« Franziskas Miene erhellte sich. »Ich habe das mit der Grut nicht gewusst und das Bier mit Bilsenkraut gewürzt. Es war gerade zur Hand.«
    Trine, die an diesem Tag zu Gast war, schnüffelte vorsichtig an dem Gebräu und schob es dann unbemerkt zur Seite.
    »Mit Bilsenkraut, so, so!«, meinte Elsa, nippte vorsichtig an ihrem Becher und nickte dann vielsagend. »Wird schon seine Wirkung zeigen!«
    Das tat es allerdings. Die Stimmung wurde zunächst überaus fröhlich und entspannt. Ursula griff wieder zur Harfe und sang Lieder, die zum Festtag passten. »Es kommt ein Schiff geladen«, sangen alle mit, und auch »Es ist erfüllt, was uns verkündet«. Die sonst in der Gesellschaft noch immer sehr zurückhaltende Franziska überraschte alle, als sie eine Weise anstimmte, die die Beginen nicht kannten: »Sei uns willkommen, Herre Christ...«
    Mit glockenreiner Stimme, die Augen fest auf das kleine, geschmückte Kreuz an der Tür gerichtet, sang sie ergreifend schön, und Mettel und Bela mussten sich die Augen trocken tupften, als sie schließlich geendet hatte.
    Sichtlich über sich selbst verwundert, erklärte Franziska mit geröteten Wangen: »Das ist ein Lied aus Aachen.«
    »Oh, bitte, singt uns noch etwas vor.«
    »Ich kenne nicht viele Lieder. Wie wäre es aber mit einer lustigen Weise über die fleißigen Waschfrauen? Das kennt bei uns jedes Kind.« Franziska freute sich über die Zustimmung und trank mit einem Zug ihren Becher leer, ehe sie die Melodie vorgab und dazu übermütig in die Hände klatschte.
    Almut merkte, wie ihr nach dem zweiten Becher des Bilsen-Biers wunderlich leicht zumute wurde. Es erinnerte sie an ein ähnliches Hochgefühl, das sie nach der Einnahme einer stark mohnhaltigen Arznei empfunden hatte. Unauffällig verschwand sie aus dem Raum und holte sich aus der Küche einen Krug mit Honigwasser. Elsa hatte es bemerkt und zwinkerte ihr wissend zu. Auch sie nahm von dem Wasser.
    »Ist nicht schädlich, in kleinen Mengen, aber ein paar von uns sollten einen klaren Kopf bewahren!«, raunte die Apothekerin Almut zu.
    Das erwies sich dann auch als notwendig, denn beschwingt durch die halluzinogene Wirkung des Biers bekam Rigmundis plötzlich wieder den typisch verklärten Gesichtsausdruck, der bei ihr immer das Herannahen gewaltiger Visionen ankündigte. Almut bemerkte es und rückte näher zu ihr. Sie wollte eigentlich Magda auf die Lage aufmerksam machen, aber diese hatte sich, bedingt durch den steten Zuspruch zu dem schäumenden Getränk, in eine völlig ungewohnte Orgie der Schwatzhaftigkeit gestürzt und erzählte eben den Weberinnen einige unbotmäßige Schwänke aus ihrer Jugendzeit. So lauschten denn Almut und die Apothekerin als Einzige den wunderlichen Prophezeiungen ihrer Seherin Rigmundis.
    »Oh, ich sehe die Sterne gleißen am Himmelszelt undden Mond wandern durch die Gezeiten. Ich sehe die Schwalben auf ihrem Flug nach Süden und die Störche heimkehren zu den fernen Gefilden. O könnte ich fliegen, ich würde mit ihnen eilen durch die dunklen Lande. Ah, es ist nicht so schwer, es ist so leicht, ich bin so leicht... Nun kann ich’s, nun kann ich fliegen. Ich streife mit den grauen Wildgänsen durch die Nacht. Ihren rauschenden Flügeln folge ich, schaue auf die vorbeigleitende Welt am Boden. Ich fliege über die blattlosen Wälder. Ich sehe den schändlichen Rat

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