Die Sünde aber gebiert den Tod
meinem Mund hört Ihr nie wieder ein Lob, Begine!«
Almut zwinkerte Franziska zu und nahm das Kind aus Pater Ivos Armen.
»Feucht ist es auch. Wir werden ein paar Windeln brauchen.«
Sie setzte sich auf den Schemel nahe am Feuer, und das Jammern wurde leiser. Sie zog die Decke ein wenig herunter. Mit sanften Fingern strich sie das Häubchen zur Seite und hielt plötzlich den Atem an.
»Schaut, Pater! Seht Euch das an!«
Er beugte sich vor und stellte fest: »Ein Feuermal!«
»Und was, für eines. Himmel hilf, hoffentlich hat man es nicht deswegen ausgesetzt. Denn ausgesetzt wurde es wohl doch?«
Franziska hatte eine Schale dünnen Honigseims warm gemacht und reichte sie Almut.
»Gebt mir ein Stück sauberes Leinen, damit es daran saugen kann!«
Das war eine wirkungsvolle Maßnahme, denn gieriglutschte das Kind an dem in die Flüssigkeit getauchten Zipfel.
»Wir fanden es hinter dem Altar unserer Klosterkirche. Es machte sich an passender Stelle während der Lesung der Heiligen Schrift bemerkbar!«
Für einen Augenblick war Almut verwirrt, dann aber konnte sie sich die Situation lebhaft vorstellen, und die Komik überwältigte sie schließlich. Halb erstickt vor Lachen stammelte sie: »›Ihr werdet finden ein Kind in Windeln gewickelt...‹«
»Eben dies!«
»O Mutter der göttlichen Gnade, was muss das für ein Augenblick gewesen sein!«
»Er entbehrte nicht eines gewissen Reizes, das muss auch ich zugeben!«
Almut sah mit Genugtuung, wie sich die Fältchen um Pater Ivos Lider vertieften und sich ein Funkeln in seine grauen Augen schlich. Dann aber wurde sie wieder ernst.
»Nun, wegen dieses Mals, das, wie Ihr zugeben müsst, eine höchst ungewöhnliche Form hat, sollte man zumindest einen Elternteil wiederfinden. Dieserlei Dinge pflegen sich in Familien über Generationen zu vererben.«
»Häufig. Aber nicht immer. Ich zumindest kenne niemanden, der auf diese Weise gezeichnet ist.«
»Nein. Und verzeiht mir, es sieht bedrohlich aus. Es bedeckt die ganze rechte Wange. Es ist so rot glänzend und sieht aus wie... wie... nun, ein gehörnter Kopf, nicht wahr?«
»Ein Teufelskopf, genau. Genau das wird es schwer machen, die Eltern zu finden, denn wenn ich richtig vermute, hat sie die Angst vor diesem Kind dazu getrieben, es auszusetzen.«
»Und wo mag es besser aufgehoben sein als in einem Kloster voller heiliger Männer.«
»Meint Ihr?«
Franziska hatte ein paar Tücher bereitgelegt, und Almut wickelte das Kind weiter aus seinen Decken und dem Kleidchen.
»Nein, meine ich nicht mehr. Es ist ein Mädchen! Und ich frage mich auch, wie ein Fremder es geschafft hat, es ausgerechnet hinter den Altar zu legen. Außenstehende haben doch normalerweise zu Eurem Kloster keinen Zutritt.«
»Es gibt Bittsteller, Pilger, Händler, Gäste... Aber Ihr habt Recht, sie tragen selten ein Kind auf dem Arm, wenn sie zu uns kommen. Zudem sind in den vergangenen Tagen sehr wenige von außerhalb gekommen. Wir haben nur einen Gast...«
Pater Ivo beendete den Satz nicht, sondern starrte plötzlich nachdenklich in das Feuer im Kamin.
»Einen Gast?«, hakte Almut wissbegierig nach. »Einen besonderen?«
»Einen ungewöhnlichen Mann, ja. Aber ihn kann man mit großer Sicherheit als Vater des Kindes ausschließen. Ein Ritter, der seine Buße im Kloster ableistet. Er kam alleine.«
Ungeschickt versuchte Almut, dem Kind die Windeln anzulegen, und als es ihr dabei beinahe vom Tisch gerutscht wäre, schob Pater Ivo sie zur Seite und wickelte mit schnellen Griffen das Kind in die trockenen Tücher.
»Erstaunliche Fähigkeiten habt Ihr für einen Priester. Lernt Ihr das aus den Traktaten großer Kirchenväter?«
Seine Miene war undurchdringlich, und Almut erinnerte sich plötzlich an einen jungen, schwarzhaarigen Mann, der eine erstaunliche Ähnlichkeit mit dem Paterhatte. Hurtig fügte sie hinzu: »Nein, nein, ich will die heiligen Lehrer nicht verspotten. Natürlich beherrscht Ihr den Umgang mit Kleinkindern, denn 'ein reiner und unbefleckter Gottesdienst vor Gott, dem Vater, ist der, die Waisen und Witwen in ihrer Bedrängnis zu besuchen‹. Hat Jakobus schon gesagt.«
»'So ist die Zunge unter unseren Gliedern: Sie befleckt den ganzen Leib und zündet die ganze Welt an und ist selbst von der Hölle entzündet.‹ Das hat, wie Ihr sicher wisst, auch Jakobus gesagt. Er muss Eure Art von Zunge gekannt haben.«
»Ach, aber fragt er nicht auch: 'Wer bist du, dass du den Nächsten verurteilst?‹«
»Ich merke schon, Eure
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