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Die Sünde aber gebiert den Tod

Die Sünde aber gebiert den Tod

Titel: Die Sünde aber gebiert den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Siegelwachses war noch zu sehen, das Siegel selbst jedoch hatte man schon abgelöst. Die Seite war mit einigen wenigen Zeilen bedeckt, das Material war leider wellig geworden, auch wenn die Tinte nicht verlaufen war. Und das Pergament roch auffällig nach feuchtem Kind!
    »O Maria, du weise Mutter, das muss in den Windeln gesteckt haben. Das kann kein Schreiben sein, das Pater Ivo gehört. Himmlische Königin, unter Umständen gibt es einen Hinweis darauf, wer das Mädchen ist!«
    Almut brauchte ein wenig Zeit, um die verschnörkelte Schrift zu entziffern, dann aber stockte ihr beinahe der Atem. Einen Hinweis auf die Herkunft des Kindes gab es allerdings nicht. Der Brief stammte von Gottfried von Wevelinghoven, Kanoniker am Dom. Das wäre zunächst sicher nichts Außergewöhnliches, wenn sie sich nicht lebhaft daran erinnert hätte, dass eben dieser Kleriker zusammen mit Johann von Kelz, dem Kanoniker von Sankt Aposteln und Rentmeister des Erzbischofs, maßgeblich verantwortlich für den gescheiterten Anschlag gegen die Stadt im September des vergangenen Jahres gewesen waren! Die beiden Männer saßen immer noch im Kerker, doch was sie hier in der Hand hielt, war ein Schreiben, in dem der Kanonikus von Wevelinghoven einem Unbekannten, den er als »edlen Freund« bezeichnete, bestätigte, seine Instruktionen seien auf das Genaueste befolgt worden. Sie hatten innerhalb der Stadtmauern einen Angriff von Seiten der erzbischöflichen Truppen vorbereitet. Soweit Almut den Text entziffern konnte, meldete er außerdem, er habe dreihundert Söldner rekrutiert, die unter die Führung der Ritter von Oefte gestellt worden waren.
    »Maria, du Schutz der Verlassenen, das ist kein so einfachausgesetztes Kind, das Pater Ivo da gefunden hat. Der arme Wurm trägt den Beweis eines gewaltigen Verrats in seinen Windeln! Weshalb hat man diesem unschuldigen Geschöpf ein derart belastendes Dokument mitgegeben?«
    Erschüttert faltete Almut das Pergament wieder zusammen und legte es sorgsam in die Truhe.
    »Die Mutter – oder der Vater – des Kindes muss gewusst haben, wer der ›edle Freund‹ des Klerikers war!«, flüsterte Almut. »Dann könnten möglicherweise die Gerüchte stimmen, nicht der Erzbischof selbst habe den Auftrag zu dem Anschlag auf die Stadt gegeben. Sollte es noch einen Verräter geben, der seine eigenen Interessen in diesem Streit verfolgt? Aber welche und warum?« Fragend betrachtete sie die Marienstatue, die unbewegt auf sie herabblickte. »Oh, Maria! Der Besitz dieses Dokuments bedeutet vermutlich eine nicht unbeträchtliche Gefahr. Wem sollte es wohl übergeben werden? In wessen Hände mochte der Besitzer diese Botschaft wohl gelangen lassen? Jemandem in Groß Sankt Martin? Wollte er den Verräter schützen oder den Verrat aufdecken?«
    Sie seufzte leise, denn ihr wurde schlagartig bewusst, dass nun sie es war, die das unheilvolle Schreiben in Händen hielt.
    »Heilige Mutter der Barmherzigkeit, ich muss so bald wie möglich mit Pater Ivo sprechen. Es gibt so viele Fragen!«
    Und der Dämon Neugier hielt sie noch eine ganze Weile vom Schlafen ab.

13. Kapitel
    A uch im Kloster Groß Sankt Martin hatte es ein üppiges Mahl gegeben, und in den frühen Nachmittagsstunden, in denen er sich eigentlich dem Studium der Schriften hätte widmen sollen, schlich sich Novize Lodewig leise aus dem Lesesaal. Er war noch jung, gerade mal fünfzehn Jahre alt, doch man sah ihm schon an, wie sehr er dem guten Essen zugetan war. Seine Novizenkutte saß stramm um seinen pummeligen Leib, sein voller Magen verlangte nach einem Verdauungsschläfchen. Zu diesem Zweck hatte Lodewig schon seit einiger Zeit ein verborgenes Fleckchen ausgekundschaftet. Hinter der Küche war ein Vorratsraum angebaut, in dem die Getreide- und Mehlsäcke lagerten. Von der Rückwand des großen Küchenkamins strahlte hier noch etwas Wärme ab, und die leeren Säcke gaben ein weiches Lager für einen müden Anwärter auf das Mönchstum.
    Es herrschte eine ungewohnte Unordnung in dem Raum, eine frische Ricke hing an einem Fleischhaken, die leeren Säcke waren wild durcheinander geworfen, einer war aufgeplatzt, und ein goldgelber Strom Weizen ergoss sich über den Boden. Lodewig maß dem keine Wichtigkeit zu, in der hektischen Vorbereitung des Festessens mochte niemand Zeit gefunden haben, auch noch die Vorratskammer aufzuräumen. Er schob ein Fässchen gesalzener Heringe zur Seite – Fastenspeise,wie sie bald wieder auf den Tisch kommen würde – und zerrte an

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