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Die Sünde aber gebiert den Tod

Die Sünde aber gebiert den Tod

Titel: Die Sünde aber gebiert den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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gegenüber äußert. Sie drehen einem das Wort im Munde herum, ehe man sich’s versieht. Mit Verlaub, Ihr habt sehr offene Ansichten vertreten und die Heilige Schrift verspottet.«
    »Ich weiß, ich weiß.« Almut nickte und lächelte.
     
    Pater Ivo eilte mit großen Schritten durch das Schneetreiben zurück. Es war so dicht, man konnte kaum die Hand vor Augen sehen. Darum war es auch nicht verwunderlich, dass er erst im letzten Moment seinen Prior erkannte und ihn beinahe über den Haufen gerannt hätte.
    Was ihn allerdings verwunderte, waren die Worte, die ihm Rudgerus wütend ins Ohr zischte, als sie an der Klosterpforte angelangt waren.
    »Du treibst dich gerne nachts bei den Beginen herum! Das wird sich ändern müssen!«

11. Kapitel
    P itter, der Päckelchesträger, stapfte mehrmals mit den Füßen auf, um die Kälte daraus zu vertreiben. Der Christmorgen graute eben erst, und eine dichte weiße Wolke bildete sich vor seinem Mund. Er wäre lieber noch unter den Decken nahe an der Feuerstelle geblieben, die wenigstens ein bisschen Wärme spendete. Aber mit seinen knapp vierzehn Jahren war er der Mann in der Familie und musste sich um deren Unterhalt kümmern. Und an Weihnachten saßen den Leuten die Münzen etwas lockerer in den Beuteln. Ein gutes Geschäft durfte er sich nicht entgehen lassen. Die Mutter hatte ein lahmes Bein, seit sie unglücklich gestürzt war, die kleinen Geschwister waren erst vier und sechs Jahre alt, und er mochte es nicht, wenn sie bettelnd durch die Straßen zogen. Die Bettlergilde mochte es auch nicht, und die wenigen Versuche dieser Art hatten ihnen nur derbe Prügel eingebracht. Die Arbeit als Gepäckträger und Führer für die Besucher der Stadt war in guten Zeiten durchaus auskömmlich, denn Pitter kannte die Gassen Kölns wie seine Manteltasche. Er kannte die Badestuben und Schenken, wusste, wo man billig und wo man kostspielig untergebracht wurde, hatte gute Beziehungen zu Wirten, Badern, Marktfrauen und Dirnen, machte Botendienste der unterschiedlichsten Art, gab Auskunft, welche Klosterbrüder unter der Hand guten Wein ausschenkten und welche Klosterfrauen sich gefälligerzeigten, als ihre Gelübde es erlaubten... Nun ja, auch das wusste er.
    Doch Köln war nicht nur in Acht und Bann, es war auch eine unwirtliche Zeit für Reisende, und in diesen Tagen hatten er und seine Geschwister häufig ihre Mägen knurren hören. Noch häufiger hätten sie allerdings geschmerzt, wenn die Beginen nicht gewesen wären, wenngleich es dort die letzen Male nur pappige Grütze gegeben hatte.
    Ein Fuhrwerk tauchte am Ende der Straße auf, und Pitter richtete sich auf, um besser sehen zu können, wer da kam. Aber als er den zotteligen Esel erkannte, drückte er sich wieder in den Schutz der schmalen Gasse. Es war kein möglicher Kunde, nur Simon, der Wirt vom Adler. Etwas verwundert stellte Pitter fest, zu welch ungewöhnlich früher Stunde der Mann unterwegs war. Auch dessen wachsamer Blick auf die Ladung hinten auf dem Karren machte ihn stutzig. Als Simon etwa auf Höhe des Gässchens war, hielt er sogar an und zerrte etwas unbeholfen mit der linken Hand an der Plane, die das bedeckte, was immer er darunter verborgen hatte. Den rechten Arm hielt er dabei an den Oberkörper gedrückt, als ob er ihn schmerzte. Als er die Plane endlich befestigt hatte, ging er wieder vor und zauselte dem strubbeligen Esel zwischen den Ohren. Nach einigen aufmunternden Worten setzte der sich wieder in Trab.
    Der Karren hatte eine schmale Spur im Schnee hinterlassen, der Pitter müßig mit den Augen folgte. Das Dämmergrau wurde heller, und plötzlich stutzte der Junge. Da waren nicht nur die Räder-, Huf- und Stiefelabdrücke zu sehen, da war noch etwas anderes auf dem jungfräulich weißen Boden zurückgeblieben. Er bückte sich und strich mit dem Finger über die roten Flecken.
    Blut blieb daran haften.
    »Ei, ei! Hat der Simon wieder mit den Wilderern ein Geschäftgemacht!«, murmelte Pitter grinsend vor sich hin. »Daher diese Heimlichkeit!«
    Er kannte eben seine Leute.

12. Kapitel
    M agda, die Meisterin, hatte zugestimmt, das Kind für eine Weile aufzunehmen, und Ursula hatte sich gerne des verwaisten Mädchens angenommen. Sie summte ihm mit leiser Stimme Lieder vor, als sie sich im Refektorium zu einem prächtigen Weihnachtsmahl versammelten. Die Mägde trugen auf, was Franziska zubereitet hatte, und der Tisch bog sich unter Bechern mit warmem Honigwein, knusprigen Brotfladen mit Gänseschmalz, hart

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