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Die Sünde aber gebiert den Tod

Die Sünde aber gebiert den Tod

Titel: Die Sünde aber gebiert den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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einem der mehligen Säcke, um sich ein geschütztes Lager zurechtzumachen. Er haftete an etwas Klebrigem am Boden, und Lodewig ließ ihn los, um einen anderen zu ergreifen. Er hatte das grobe Leinengewebe gerade etwas angehoben, als er etwas Seltsames entdeckte und stutzte. Ein nackter Körperteil leuchtete weißlich in dem spärlichen Licht auf, das durch das schmale Fenster fiel. Glucksend vor Lachen stand der Novize einen Moment da und betrachtete das, was sich als schöner, runder Hintern darstellte. Welcher seiner Freunde – oder gar welcher Bruder – verbrachte hier sein Schlummerstündchen? Er konnte es nicht lassen, es war zu verführerisch! Mit einem Klatsch traf seine Hand die Hinterbacke, und mit einem hurtigen Sprung hüpfte Lodewig hinter die Tür.
    Doch kein empörter Aufschrei ertönte, kein Rascheln oder Schnaufen. Verwirrt lugte Lodewig um die Tür. Und begann zu schreien!
     
    Pater Ivo hörte das entsetzte Kreischen, als er auf dem Weg zum Gästehaus war. Er stürmte in den Vorratsraum und sah zunächst nur den hysterisch schreienden Lodewig. Eine gezielte Ohrfeige, und das schrille Geräusch brach ab. Dann allerdings sah auch er, was den Jungen zu seinem Ausbruch verleitet hatte. Aus den blutgetränkten Säcken war eine nackte Frau gerutscht. Tot, daran gab es keinen Zweifel, denn ihr fehlte der Kopf.
    Lodewig würgte und erbrach sich schluchzend in eine Ecke, und auch Pater Ivo hatte mit Schluckbeschwerden zu kämpfen. Doch er hatte sich schneller in der Gewalt als der Novize. Er sah sich in dem dämmrigenRaum um und entdeckte die schwärzliche, getrocknete Blutlache, die unter den Säcken hervorgequollen war. Auch die Unordnung fiel ihm ins Auge. Es sah aus, als hätte jemand in aller Eile die Leiche auf den Haufen alter Säcke geworfen und sie dann notdürftig zugedeckt. Vorsichtig näherte er sich der Toten. Sie lag zusammengekrümmt da, starr und steif in der Kälte ihres Todes. Vorsichtig berührte er sie, um zu prüfen, ob sich ihre Glieder bewegen ließen. Dann schüttelte er den Kopf und zog eine Sackleinwand über ihre Blöße.
    Lodewig hatte sich wieder etwas gefasst und lehnte zitternd am Türrahmen, die Augen fest geschlossen. »Junge, geht es wieder?«
    »Ich... ich... ich war es nicht!«
    »Nein, natürlich nicht, Lodewig. Komm, wir gehen gemeinsam zu Bruder Markus ins Krankenzimmer.«
    Pater Ivo legte ihm schwer die Hand auf die Schulter und führte ihn in die Infirmerie. Bruder Markus, der in den kalten Wintertagen viel zu tun hatte, rührte in einem Salbentopf, aus dem es überwältigend nach Kampfer roch. Das Gliederreißen, böser Husten und Halsschmerzen hatten etliche Brüder auf das Krankenlager geworfen, und sie harrten nun seiner kundigen Pflege.
    »Gib dem Jungen von deinem heißen Wein, er braucht etwas, damit er sich beruhigt. Er hat gerade eine schlimme Entdeckung gemacht, Markus. Und dann solltest du mit mir kommen.«
    Bruder Markus war stoischen Gemüts, er war Notfälle und Unfälle gewohnt, wenngleich solche im Kloster selten passierten. Aber er hatte, genau wie Pater Ivo, auch schon andere Zeiten erlebt, bevor er die Kutte genommen hatte. Er stellte keine Fragen, sondern halfdem Novizen, dessen Hände noch immer so heftig zitterten, dass er den Becher nicht halten konnte, den beruhigenden, süßen Wein einzuflößen.
    »Soll ich etwas mitnehmen, Verbandszeug, Schienen, Salben?«
    Lodewig gab ein hysterisches Lachen von sich. »Wird ihr – hicks – nicht viel helfen...!«
    »Schon gut, Junge. Leg dich dort auf die Pritsche, wir kommen gleich zurück. Bleib hier und sprich mit niemandem darüber.«
     
    »Allmächtiger!«, war Bruder Markus’ einziger Kommentar im Vorratsraum. Er bekreuzigte sich stumm, dann untersuchte auch er die Leiche.
    »Scheint schon ein paar Stunden tot zu sein, die Starre fängt an, sich zu lösen. Ich denke mal, der Tod ist noch vor Mitternacht eingetreten.«
    »Das dachte ich auch.«
    »Hast du eine Ahnung, wer das ist?«
    »Nein, wahrhaftig nicht.«
    »Dann wäre es ganz gut, wenn wir den Kopf finden würden!«
    Es war keine schöne Arbeit, die klebrigen, blutigen Säcke zu durchwühlen, aber außer ein paar aufgestörten Ratten fanden die beiden Mönche nichts weiter.
    »Wir werden es Vater Theodoricus mitteilen müssen.«
    »Natürlich. Aber er ist in keiner guten Verfassung. Der Nierenstein macht ihm furchtbar zu schaffen, und er hat heute Morgen eine heftige Kolik gehabt.«
    Sie bedeckten die Tote und schlossen sorgfältig die

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