Die Sünde aber gebiert den Tod
Tür hinter sich. Während sie über den Innenhof zur Wohnung des Abtes gingen, spekulierten sie über das, was geschehen war.
»Sie könnte überall ermordet worden sein. Der Mörder hat die Leiche vielleicht nur hier abgelegt«, überlegte Bruder Markus, der einen Mord im Kloster nicht wahrhaben wollte.
Pater Ivo nährte jedoch mehr den Verdacht, die Freveltat müsse auf heiligem Boden geschehen sein. Er argumentierte: »Kaum denkbar, es hat geschneit, und man hätte Blutspuren im Schnee gefunden. Und zwar viele.«
»So sie denn durch das Enthaupten gestorben ist.« »Großer Gott, ja. Aber das würde zumindest bedeuten, dass ihr hier der Kopf abgeschlagen wurde.« »Fleischerbeile liegen in der Küche griffbereit.« »Aber eine nackte Frauenleiche trägt man nicht so ohne weiteres durch die Nacht.«
»Heißt nur, wir müssen auch nach den Kleidern suchen, Ivo.«
Nachdenklich nickte Pater Ivo. »Nun ja, um die mitternächtliche Stunde waren wir und natürlich auch die meisten Bürger in den Kirchen, die Straßen mögen menschenleer gewesen sein. Bleibt unser Pförtner – ich werde ihn befragen, ob er auf seinem Posten war.«
»Es gibt auch andere Möglichkeiten, ins Kloster zu kommen. Wenn man will...«
»Woher weißt du das, mein Freund?« Pater Ivo erlaubte sich ein schnelles Grinsen, als er den rundlichen Krankenbruder fragend ansah.
»Wir erwischten schon mal den einen oder anderen Novizen, der sich gewandt der Äste des alten Birnbaums bediente. Und auch der Schlüssel zur Priesterpforte in Brigiden soll hin und wieder verschwunden gewesen sein.«
Sie hatten die Tür der Abtswohnung erreicht, undBruder Markus kratzte leise am Holz. Schwach kam von drinnen die Antwort einzutreten. Vater Theodoricus saß bleich und von Schmerzen gezeichnet in seinem Sessel am Kamin, bei ihm weilte der Prior Rudgerus.
»Du hättest im Bett bleiben müssen, Vater!«, mahnte der Krankenbruder, aber der Abt schüttelte nur den Kopf.
»Dadurch wird es auch nicht besser. Was bringt ihr für Botschaften? Wenn ich unseren Bruder Ivo in deiner Begleitung sehe, dann befürchte ich immer das Schlimmste.«
Es war scherzhaft gemeint, doch als der Abt das Gesicht des Angesprochenen sah, wurde er sofort ernst.
»Noch schlimmer, ehrwürdiger Vater.« Er berichtete von dem Leichenfund und ihren ersten Überlegungen. Der Abt stöhnte, nicht nur wegen der Pein, die ihm der Nierenstein verursachte, sondern vor allem über die schreckliche Tat.
»Kann es einer unserer Mönche oder Laienbrüder gewesen sein?«
Bruder Markus schüttelte den Kopf und trug seine Meinung vor.
Theodoricus hörte schweigend zu und brauchte in seiner bedächtigen Art eine Weile, um über das nachzudenken, was ihm die beiden Mönche berichtet hatten. Schließlich schloss er: »Unser Bruder glaubt, es sei hier geschehen. Verdächtigst du jemanden, Ivo?«
»Wie könnte ich, Vater Abt.«
Aber dieser kannte seine Brüder gut, auch wenn er selten zeigte, wie gut er sie wirklich einzuschätzen in der Lage war.
»Du hegst Sympathien für unseren Gast. Könnte das dein Urteil trüben?«
»Gero von Bachem – nun ja, er ist ein Ritter und verstehtsich auf das Waffenhandwerk. Er war nicht in der Kirche, und soviel ich weiß, war er auch nicht in der Gemeindemesse. Aber dennoch halte ich ihn nicht für den Mann, der eine Frau hier im Kloster ermordet.«
Der Prior hatte sich bislang schweigend zurückgehalten, jetzt aber fragte er mit einem giftigen Unterton: »Und du bist ganz sicher, dass du die Frau nicht kennst, Bruder?«
»Sicher kann man nie sein, zumindest nicht, solange ich nicht ihr Gesicht gesehen habe!«
»Es könnte ja eine deiner Beginen sein, die du so gerne und lange in der Nacht besuchst!«
»Rudgerus, was soll diese Bemerkung?«, fuhr der Abt seinen Prior an.
»Nun, unser Bruder hat mehr als üblich Umgang mit diesen Frauen, nicht wahr? Mehr, als es einem Mönch zuträglich ist, der sich zu einem keuschen Leben verpflichtet hat!«
»Frauen gehören zur Menschheit dazu, es bleibt uns nicht erspart, sie gelegentlich wahrnehmen zu müssen!«, beschied ihn Pater Ivo in gleichmütigem Ton.
»Sie sind der Hort der Verderbnis und Hinterlist!«
»Ja, ja! Nimm nur nie einen Apfel von einem weiblichen Wesen an, Prior!«
»Du nimmst das auf die leichte Schulter. Doch ich sehe schon, wie du der Versuchung erliegst!«
»Mäßigt euch, Brüder, mäßigt euch. Wir haben im Moment andere Sorgen als weltliche Versuchungen!«
Das mahnende Wort des Abtes
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