Die Sünde aber gebiert den Tod
Ihr...«
Die Angesprochene drehte sich um, und der Junge erstarrte in seiner Bewegung. Ein altes, pockennarbiges Gesicht sah ihn an, und ein zahnloser Mund öffnete sich zu einem hämischen Lachen.
»Eure edle Dame hatte wohl ein glatteres Gesichtchen, was, Junge?«
»Entschuldigung. Ich habe Euch verwechselt!«
»Offensichtlich!«, krähte die Alte und zog den Mantel fester um sich, als ob sie befürchtete, er würde ihr wieder entrissen.
Fredegar wandte sich schaudernd ab und kehrte zurück wie ein begossener Hund.
»Verzeiht!«, murmelte er und nahm Almut die Zügel wieder aus der Hand. »Ich war ungehörig!«
»Schon gut, Fredegar. Ich bin durchaus in der Lage, ein so gehorsames Pferd eine Weile zu halten.«
Noch immer verwundert schüttelte der Knappe den Kopf und fragte: »Wie mag die alte Vettel nur zu einem solchen Mantel gekommen sein? Sie sah von hinten aus wie eine hochgeborene Dame, die ich kenne.«
»Die Dame Bettina. Die eigentlich in Bonn weilen sollte?«
Almut hatte ein Zwinkern in den Augen.
»Woher wisst Ihr das?«
»Ich könnte jetzt behaupten, ich sei in der Lage, in Eurer Seele zu lesen , aber es ist viel einfacher. Ihr habt die Alte mit Frau Bettina angeredet, und ich habe vorgestern zufällig eine Frau getroffen, die mich bat, ihr einen Brief von einer Bettina vorzulesen. Aus Bonn. Ihr habt nur bestätigt, was ich geraten habe.«
»Was für ein lustiger Zufall!« Fredegar war amüsiert. »Wer war diese Dame mit dem Brief?«
»Frau Gerlis, ihre Amme und Kinderfrau. Sie lebt jetzt in Melaten.«
»Oh!«
»Ja, bei den Aussätzigen.«
»Dann war es wahrhaftig die Frau Bettina, die ich meinte. Sie ist eine barmherzige Dame, großzügig und edel. Sie erzählte mir einst von ihrer Kinderfrau, um die sie sich jetzt kümmert.«
»Und woher kennst du die edle Frau?«
Einen Moment druckste Fredegar herum und suchte nach den richtigen Worten, aber dann erklärte er freimütig: »Sie und mein Herr Gero sind ein Paar. Auch wenn es nicht an die große Glocke gehängt wird, so weiß es doch fast jeder.«
»So weilte auch Euer Herr Gero in Bonn?«
Fredegar verstummte abermals und biss sich auf die Unterlippe.
»Schon gut, Fredegar. Ich hätte es mir denken können. Es geht mich nichts an, und ich habe nichts gehört. Hier ist die Klosterpforte. Sei so gut und richte dem Pförtner oder einem der Brüder aus, ich müsse Pater Ivo dringend sprechen. Ich warte auf ihn in der Gemeindekirche.«
Der Knappe versprach, das zu tun, bedankte sich ausnehmend höflich für die Begleitung und verabschiedete sich dann mit einer weiteren anmutigen Verbeugung.
Almut begab sich in die kleine Kirche, die seitlich am Kloster klebte, und suchte den Marienaltar auf, um dort einige stille Gebete zu sprechen. Es verging eine geraume Zeit darüber, und sie war sich beinahe sicher, der Benediktiner müsse wohl zu beschäftigt sein, um ihrer Bitte Folge leisten zu können. Möglicherweise hielt er sich auch gar nicht im Kloster auf. Gerade als sie sich erheben wollte, hörte sie Stimmen, die sich näherten.
»So traut Ihr Euch denn doch einmal aus dem Kloster heraus, Ritter?«
»Ich bleibe auf geweihtem Grund, Pater, aber ich möchte dennoch lieber hier das Gespräch von gestern Abend fortsetzen als in den Klostermauern. Ich hatte nämlich noch eine aufschlussreiche Unterhaltung mit Eurem Prior.«
»Oh, über das nämliche Thema?«
»Genau das. «
Almut sah in der dämmerigen Kirche zwei hochgewachsene Gestalten auf sich zukommen. Sie wollte gerade aus dem Schatten treten, um sie anzusprechen, aber die beiden gingen an ihr vorbei, ohne sie zu bemerken. Sie schwiegen, und Almut drehte sich wieder um und nahm ihre Gebete erneut auf, um nicht zu stören. Daher fuhr sie zusammen, als sie plötzlich ganz in ihrer Nähe Pater Ivos Stimme hörte.
»Ihr bezieht Euch auf unseren Disput über die Rechte der Stadtbürger, Ritter, bei dem ich mir Eure ketzerische Meinung dazu anhören musste, nicht wahr?«
»Und sie bestätigte, Pater, wenn ich mich recht entsinne.«
»Schon gut, ich stimmte Euch insoweit zu, als der Erzbischof ein Kirchenfürst ist, dessen Augenmerk naturgemäß auf den Vorteilen seiner Kirche liegt.«
»Dennoch bestimmt er auch über die Rechte der Stadtbürger.«
»So will es die göttliche Ordnung, Ritter!«
»Die Ihr in dieser Form nicht anerkennt, Pater, wie Ihr mir selbst an anderer Stelle bestätigt habt.«
»In dieser Form nicht. Aber das ist meine persönliche Meinung, die Ihr besser
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