Die Sünde aber gebiert den Tod
habt Ihr selbst herausgefordert. Auch ich lausche gebannt Eurer Antwort!«, ermunterte ihn Pater Ivo.
Gero von Bachem hatte plötzlich einen gehetzten Blick in den Augen, aber dann fasste er sich wieder: »Ich bin ein Büßer, Pater. Nur ein Büßer.«
»Kein Mann des Erzbischofs also!«
»Ein Büßer, Begine.«
Almut nickte zustimmend, wenngleich ihr plötzlich etwas in den Sinn kam. Was hatte Rigmundis an jenem bilsenkrautseligen Abend von einem Verräter erzählt, der auf geweihtem Grund betete? Aber den Gedanken konnte sie nicht weiter verfolgen, denn Gero von Bachem verabschiedete sich.
»Ich überlasse Euch Euren Angelegenheiten, Pater. Wir sehen uns später.«
In vollendet höfischer Manier verbeugte sich der Ritter vor ihr, und ein strahlendes Lächeln lag noch auf Almuts Gesicht, als sie sich wieder an den Benediktiner wandte. Der hatte jedoch inzwischen seine Gewittermiene aufgesetzt. Sie wurde ernst.
»Ein Büßer, Begine. Nicht mehr!«
»Natürlich. Der den geweihten Grund der Kirche nicht verlassen will. Sehr löblich, nicht wahr?«
»Ja.«
»Die Immunität des Klosters bietet vor vielem Schutz.«
»Wie Ihr wisst.«
»Ist es dann nicht ungeschickt, sich mit Eurem Prior anzulegen?«
»Gewiss.«
»Verstehe ich richtig, Pater, der Prior ist ein Vertreter der alten Ordnung – Richerzeche, Patrizierrat, Macht des Erzbischofs?«
»So ist es.«
»Dann wundert es mich, weshalb Euer Orden noch seinen Gemeindepflichten nachkommt. Denn der Erzbischof hat doch darauf bestanden, dass der Klerus die Stadt mit ihm verlässt.«
»Unser Abt hat sich den Stiftskapiteln angeschlossen, die sich unter den Schutz des Rates stellten, Begine.«
»Ah, unterschiedliche Ansichten zwischen Abt und Prior?«
Pater Ivo erlaubte sich ein hauchfeines Lächeln. »Nicht nach außen hin.«
»Ich verstehe. Nun, wie der Zufall es will, habe ich hier etwas gefunden, das Ihr sorgsam prüfen solltet. EntscheidetIhr dann, wem Ihr davon berichtet.« Almut zog das zusammengefaltete Pergament aus ihrer Gürteltasche und reichte es dem Benediktiner. »Dies steckte in den Windeln Eures Findlings!«
»Ein Brief?«
Über den schwarzen Brauen legte sich seine Stirn in unwillige Falten. Wortlos nahm er den Brief an sich, ging zum Fenster und überflog das Schreiben, während Almut ihn unter gesenkten Lidern betrachtete. Sein graues Haar und sein Bart waren kurz geschnitten, doch zwei dunkle Strähnen, die den Mund einrahmten, ließen darauf schließen, dass er einmal sehr schwarzes Haar gehabt haben musste. Selbst in dieser dunklen Jahreszeit war seine Haut noch leicht gebräunt und gab Zeugnis von den vielen Stunden, die er arbeitend in den Weingärten des Klosters verbrachte. Im Gegensatz zu vielen Brüdern seines Ordens, die zur Völlerei neigten, war er schlank, doch nicht asketisch mager. Sie wusste, er war ausdauernd und kräftig und verfügte über ausnehmend gute Reaktionen. Zweimal schon hatte er sie dank dieser Eigenschaften aus übler Bedrängnis gerettet.
Nun las er schweigend und konzentriert, und sein Gesicht verdüsterte sich noch mehr.
»Das sieht nach Verrat aus. Dieses Schreiben ist vermutlich nicht an Friedrich selbst gerichtet«, murmelte er.
»Das war auch meine Ansicht. Irgendwer im Umfeld von Friedrich von Saarwerden hat Wevelinghoven und Kelz damit beauftragt, Söldner zusammenzurufen, um die Stadt anzugreifen! Durchaus auch ohne dessen Wissen.«
»Um damit die Kluft zwischen Rat der Stadt und Erzbischofweiter zu vergrößern. Richtig. Eine hässliche, aber denkbare Schlussfolgerung habt Ihr da gezogen, Begine. Es liegt dem ›edlen Freund‹ offensichtlich daran, den Streit zu schüren.«
»Wisst Ihr, ob die beiden Kleriker, die in diese Angelegenheit verwickelt waren, inzwischen ihren Auftraggeber benannt haben?«
»Sie und die beiden Ritter von Oefte bezeichneten den Erzbischof als denjenigen, der sie zu dem Anschlag angestiftet hat. Sie haben ein notariell beglaubigtes Geständnis abgelegt. Nach peinlicher Befragung...!«
»Ah ja. Ihr glaubt dem nicht, merke ich.«
»Nein, ich glaube dem nicht.
»Ich auch nicht. Und nun habt Ihr einen Büßer hier in Euren Mauern, Pater. Der aus Bonn kommt, geweihten Grund nicht verlässt und sehr ungewöhnliche Ansichten über die Rechte der Bürger hat.«
»Was wollt Ihr damit sagen, Begine?«
»Ach, nichts im Besonderen. Nur – was büßt der Büßer? Und warum taucht das Kind mit diesem Schreiben hier auf, während er büßt?«
»Da muss kein
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