Die Sünde aber gebiert den Tod
jemandem daran gelegen haben, dass sie nicht erkannt wird, denkt Ihr nicht auch? Sonst wären Kleider und – äh – Kopf nicht verschwunden. Eine Fremde, die niemandem bekannt ist, kann sie deshalb wohl kaum gewesen sein.«
»Dann wird sie sicher auch vermisst werden.« »Möglich. Aber...«
Almut kam nicht dazu, ihre Einwände vorzubringen, denn die Kirchentür öffnete sich, und Franziska trat ein, gebeugt unter der Last zweier schwerer Körbe.
»Es ist Zeit für mich zu gehen. Ich lasse Euch das Pergament hier. Gebt Ihr mir Bescheid, wenn Ihr etwas dazu herausgefunden habt, Pater?«
»Ihr hängt dem Laster der Neugier an.«
»Leider ja. Mercurio in Gemini, Ihr wisst ja!«
»›Ein jeder, der versucht wird, wird von seinen eigenen Begierden gereizt und gelockt.‹ Und nicht von den Sternen, Begine.«
»Jakobus?«
»Eben der. Und ich werde Eurem Laster keinen Vorschub leisten. Überlasst dieses Mal die Sache ausschließlich den Männern, die dafür zuständig sind.«
Almut knurrte unwillig und zitierte dann erbost: »›Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade.‹ Hat Jakobus auch gesagt. Wenn Eure Hochmut Euch glauben lässt, die Angelegenheit sei ausschließlich Eure Sache, dann stelle ich Euch das plärrende Päckchen, das Ihr bei uns abgeliefert habt, auch gerne wieder zu. «
»Begine! «
»Meine Begleiterin wartet!«
Mit einem kühlen Kopfnicken wandte sich Almut ab und ging auf Franziska zu. Sie war empört über die Weigerung des Paters, sie in die Ermittlungen mit einzubeziehen.
»Hat Euch der finstere Pater die Leviten gelesen, Almut?«
»Das Buch Leviticus lese ich mir selbst vor, dafür brauche ich keinen Priester!«, schnaubte Almut.
»Was für ein Buch?«
»Das dritte Buch Moses, das mit den Gesetzen.«
»Ihr erklärt mir in aller Seelenruhe, Ihr selbst lest dieBibel? Na, dann ist es doch kein Wunder, wenn Euch der Pater zürnt. Er weiß es, nicht wahr? Wenn das nun tatsächlich jeder machen würde und die heiligen Worte ohne Hilfe auslegen könnte, dann bräuchten wir die Gottesdiener nicht mehr. Das kann nicht gut gehen! Daran darf man noch nicht einmal denken.« Franziska senkte verschwörerisch die Stimme und fragte: »Kennt Ihr wirklich die gesamte Bibel?«
»Mh, manches. Was Clara so übersetzt!«
Warnend hob Franziska einen Finger an die Lippen, derweilen sie sich umschaute, ob jemand ihnen folgte.
»Aber das ist Männersache. Das ist noch viel gefährlicher als der Aussatz.«
»Ich könnt Euch gar nicht vorstellen, wie egal mir das ist. Auch wenn Pater Ivo glaubt, er wüsste ganz genau, was ausschließlich die Sache von Männern ist!«
»Ja, ja, ich weiß! Dazu haben Männer immer eine ganz besondere Meinung. Aber ich habe Euch schon mal gewarnt, Almut. Die Priester sind schnell bei der Hand, wenn es darum geht, jemanden einen Ketzer zu nennen. Das ist in Köln nicht anders als in Aachen.«
Almut wechselte den schweren Korb auf die andere Seite und meinte: »Das wird er kaum wagen. Nein, ich ärgere mich über eine ganz andere Sache.«
Franziska hatte sich zwar noch nicht ganz beruhigt, aber ein Teufelchen Neugier lugte aus ihren Augenwinkeln hervor, als sie fragte: »Hat es was mit dem Kind zu tun, das er in der Christnacht gebracht hat? Ich meine, ich wollte ja nicht aufdringlich sein, aber da war doch dieser Brief...?«
»Franziska – ich habe einen ganz entsetzlichen Verdacht!«
»Ja?« Erschrocken blieb die Köchin stehen.
»O ja. Ich fürchte, auch Euer Mercurio steht in Gemini.«
»Heilige Sankt Marta, beschütze mich, ist das gefährlich?«
»Ja, denn er macht den Menschen geneigt, dem Laster der Neugierde zu frönen. Aber wer bitte ist die heilige Sankt Marta? Von der habe ich ja noch nie gehört!«
»Och, das ist die Schutzpatronin der Köchinnen! Und nun könntet Ihr mir meine Frage beantworten.«
Almuts Laune hatte sich wieder etwas gehoben, und den restlichen Weg zum Eigelstein gab sie Franziska eine Zusammenfassung der Geschehnisse in Köln, die mit dem Anschlag zusammenhingen, den die Herren Wevelinghoven und Kelz mit geplant hatten. Die Leiche allerdings verschwieg sie, denn deren Fund hatte ihr Pater Ivo sozusagen nur vertraulich mitgeteilt.
»Und darum würde ich gerne wissen, was es mit diesem Brief auf sich hat. Aber er will die Sache alleine in die Hand nehmen.«
»Wüsstet Ihr denn, wie Ihr mehr herausfinden könnt als er?«
»Dummerweise im Augenblick nicht. Aber mir würde sicher etwas einfallen.«
Bevor
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