Die Sünde aber gebiert den Tod
beiden in den Konvent zurückkamen, wurde Almut von Elsa aufgehalten.
»Da ist eine Evvi, eine Magd aus Melaten, bei mir aufgetaucht, die Medizin für die Aussätzigen haben will. Heilige Mutter Maria, gegen Aussatz wachsen keineKräuter! Was hast du denen denn schon wieder versprochen?«
»Mittel gegen Husten, Halsweh und schmerzende Gelenke. Darunter müssen diese Ärmsten nämlich auch noch leiden.«
»Dann erzähl du ihr das mal, die hat das ganz anders verstanden. Ein unangenehmes Geschöpf. Fragt und fragt und sieht sich mit riesigen, neugierigen Augen um, als ob sie erwartet, ich würde gleich mit dem Besen zum Kamin hinausfahren. Du weißt, wie schnell man verdächtigt wird!«
Ja, Almut wusste das, und sie wusste auch, dass Elsa eine mehr als übliche Angst davor hatte, der magischen Künste verdächtigt zu werden. Sie betrat die Kräuterstube, und Franziska folgte ihr. Evvi hatte es sich am Kamin bequem gemacht. Ihr Umhang lag auf einer Bank, und sie glänzte in einem lichtblauen Kleid, das nicht so recht zu ihrem geröteten, gewöhnlichen Gesicht passen wollte. Geziert neigte sie den Kopf, als Almut sie begrüßte, und mit gelangweilter Höflichkeit nahm sie die Erklärung entgegen, Frau Gerlis habe lediglich Linderungsmittel gegen die üblichen Wintergebrechen bestellt.
»Dann habe ich das wohl falsch verstanden. War trotzdem nett bei Euch, Frau Apothekerin. Wenn Ihr mir nun die Mittel geben wollt.«
»Gib sie ihr, Elsa, es sind Geschenke der Barmherzigkeit. Und bestell Frau Gerlis einen Gruß von mir. Wenn ich Zeit finde, schaue ich bei Gelegenheit wieder bei ihr vorbei.«
»Wird gemacht, Frau Begine!«
»Für eine Magd ganz schön herausgeputzt. Weihnachten muss die Wohlhabenden reichlich zur Großzügigkeit angeregt haben. Ein solches Seidenkleid an einer Dienerin!«, empörte sich Franziska, als sie gemeinsam mit Almut über den Hof ging. »Und wisst Ihr, irgendwie kam es mir bekannt vor. Ich habe das schon mal gesehen. Diese Farbe... Ah, ich weiß! Die Schnepfe, die der Adlerwirt so fürsorglich umbalzte! Die schmückte sich mit einem solch blauschillernden Federkleid. Und nun hat sie’s den Aussätzigen gestiftet. Edel, edel!«
18. Kapitel
A ve Regina coelorum... Ave, du Himmelskönigin, ave der Engel Herrscherin...« Wie so oft, wenn unbeantwortete Fragen in ihrem Kopf herumschwirrten, wurde Almuts allabendliches Gebet vor der kleinen vergoldeten Marienstatue mehr und mehr zu einem freien Gespräch. Ihr schien es häufig so, als erhielte sie in dieser traulichen Zwiesprache Antworten. Natürlich schrieb sie der wunderlichen Bronzefigur keine magische Kräfte zu, das war es gewiss nicht. Sie stand dem Bildnis hin und wieder sogar misstrauisch gegenüber, denn es stammte aus dem Schutt, der sich unter ihrem alten Schweinestall befunden hatte. Ein römischer Tempel, hatte Pater Ivo erklärt, sei es gewesen, und diese Figur, die einen so sonderbaren Heiligenschein zwischen den beiden hörnerartigen Gebilden über ihrem Kopf trug und nicht nur ein Kind auf dem Schoß hielt, sondern auch ein ungewöhnlich geformtes Kreuz in der Hand hatte, sei die Himmelskönigin in der Gestalt, wie sie einst die Römer und die Ägypter verehrt hatten. Eine heidnische Göttin, hatte sie befürchtet, doch er hatte die Figur eigenhändig geweiht und ihr versichert, die barmherzige Mutter dürfe sie auch in dieser Gestalt verehren. Sie tat es, aufrichtig und in tiefem Glauben. Aber nur in ganz, ganz seltenen Fällen hatte sie sich bisher getraut, die Mutter Gottes, den Stern des Meeres, bei ihrem alten Namen zu nennen – Isis.
»Wurzel, der das Heil entsprossen, Tür, die uns das Licht erschlossen. Freu dich, Jungfrau...« Almut seufzte. »Wie dauert mich die Mutter unseres kleinen Findlings. Sie hat das Mädchen sicher nicht einfach so herzlos ausgesetzt. Das kann ich mir wirklich nicht vorstellen. Armes kleines Ding, das nun ohne sie aufwachsen muss. Auch ich habe früh meine Mutter verloren...« Sinnend betrachtete sie das goldene Gesicht und fand unerwartete Zärtlichkeit darin. »Nun, ich habe Frau Barbara gehabt, die sich meiner angenommen hat. Und sie war gut zu mir. Hoffen wir, es findet sich eine gute Ziehmutter für das Kleine. Es wird gestraft genug mit diesem Feuermal sein, wenn es erst einmal größer wird. Man wird es hänseln und bestimmt sogar deswegen verachten. Oder schlimmer – behaupten, es sei vom Teufel selbst gezeichnet worden.« Das Öllämpchen flackerte in einem leichten Zugwind, der
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