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Die Sünde aber gebiert den Tod

Die Sünde aber gebiert den Tod

Titel: Die Sünde aber gebiert den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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vom Fenster herkam, und die Schatten tanzten an den Wänden. »Ja, Maria, gütige Jungfrau, die Mutter ahnte wohl auch das. Oh, Maria, könnte sie nicht sogar selbst ein solches Mal getragen haben? Aber hätte sie das Kind darum nicht umso mehr lieben müssen?«
    Der Zugwind wurde heftiger, und einer der Pergamentbögen, die auf dem Tischchen lagen, raschelte leise.
    »Mist, Maria, das hatte ich vergessen. Der Brief, Maria, du Spiegel der Gerechtigkeit! War der Mann, der als ›edler Freund‹ tituliert wurde, der Ritter, der sich als ein bloßer Büßer bezeichnet? Er ist ein Mann des Erzbischofs, wenn nicht von Gesinnung, so doch von Lehen. Seine wahre Gesinnung kann man verschweigen. Er könnte Pater Ivo gegenüber so tun, als ob er sich eine neue Ordnung wünscht. Warum verlässt er den geweihten Grund nicht? Er muss eine Rache gegen sich fürchten.Ist er der Verräter, der auf geweihtem Grund betet? So wie Rigmundis es gesehen hat? War sie die Einsame, die Schutz und Hilfe in jenen heiligen Mauern suchte und dann von dem ermordet wurde, mit dem sie zarte Bande einte? Eine Verwandte, seine Geliebte? Oh, Maria, Born der Weisheit, Gero von Bachem und der Brief – beide sind im Kloster. Dann, Maria, mochte sie versucht haben, ihn damit zu erpressen. Das könnte natürlich bedeuten, dass der Ritter ihr Mörder war. Ei wei, Maria, Pater Ivo ist diesem Gero zugetan, und Himmel hilf, wenn er ihm den Brief zeigt.«
    Almut kaute an ihren Fingerknöcheln und wäre am liebsten sofort aufgesprungen, um nach Groß Sankt Martin zu laufen.
    »Ah, Geduld, Maria. Hilf mir, geduldig zu sein, du Mutter des guten Rates. Es ist stockfinstere Nacht, und jetzt kann ich überhaupt nichts erreichen. Aber schenke den Suchenden Wissen und Einsicht, den gequälten Seelen Frieden, dem unschuldigen Kindlein einen süßen Schlaf, und behüte alle, die ich liebe, vor Gefahr und Ungemach. Und nun sei gegrüßt, des Himmels Krone, bitt für uns bei deinem Sohne. Amen.«

19. Kapitel
    M aria, die göttliche Mutter, musste ihrer demütig betenden Tochter ein sehr aufmerksames Ohr geliehen haben, denn sie erfüllte ihre Bitten in dieser Nacht fast alle.
    Ganz stockfinster war es draußen nicht, denn der Schnee reflektierte das Licht der Sterne, die zwischen den Wolken hervorlugten. Es war auch sehr still, die frisch gefallenen Flocken hatten alle Geräusche gedämpft, und niemand, der es vermeiden konnte, hielt sich im Freien auf. Darum zuckte Almut auch zusammen, als sie ein Scheppern, einen unterdrückten Fluch und den scharfen Verweis hörte: »Pass doch auf, Tünnes!« Ihre Kammer lag nach Westen hinaus, das Fenster gab den Blick über die Felder frei und wies nicht auf den Innenhof. Vorsichtig schob sie den schweren Laden ein wenig auf und sah mit aufsteigendem Entsetzen, wie drei schwarz verhüllte Gestalten über die Mauer kletterten. Ein gelblicher Lichtstrahl hüpfte ihnen voraus und flackerte über den beschneiten Hof. Einer blieb auf der Mauerkrone sitzen, die beiden anderen huschten am Brunnen vorbei. Scharf hoben sich die drei Menschen vom Weiß des Untergrunds ab.
    Almut hatte sich noch nicht entkleidet, sondern nur die Haare gelöst. Rasch warf sie sich ihr warmes Wolltuch über und klopfte an Franziskas Tür.
    »Was gibt’s?«
    »Einbrecher. Sie wollen in die Küche, scheint es.« »O nein! In meine Küche kommen keine Einbrecher!«
    Auch Franziska war noch angekleidet und stürmte prompt die Stiege hinunter. Almut folgte ihr. Neben dem Eingang stand ein Reisigbesen, und daneben wartete eine Schippe. Werkzeuge, die dazu dienten, am Morgen des Schnees Herr zu werden. Ohne ein Wort zu wechseln, griffen die beiden Frauen sich die Geräte und liefen auf die Männer zu, die eben dabei waren, die Riegel an der Tür zum Küchenhäuschen zu öffnen. Sie wandten den Herankommenden den Rücken zu.
    Den warnenden Aufschrei ihres Wachhabenden auf der Mauer hörten sie zu spät. Der Erste erhielt von Almut einen scharfen Schlag mit dem Besenstiel auf den Schädel, der nachhaltig bewies, dass sie nicht nur mit der feinen Sticknadel zu arbeiten gewohnt war. Er sank stöhnend auf die Knie. Beim anderen hörte es sich an wie der Gong, der zum Essen rief, als die Köchin ihm mit der Schippe auf den Kopf schlug. Doch viel Schaden hatte sie nicht anrichten können, die Kapuze hatte die größte Wucht abgefangen. Er drehte sich um und sah sich zwei mordbereiten Furien gegenüber, deren Haare sie wild umflatterten. Mit gefletschten Zähnen und

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