Die Sünde der Brüder

Titel: Die Sünde der Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon

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so tut man das. Es sei denn, man bekommt die Order, die Stellung zu halten. Wenn man aber den Rückzug antritt, darf man seine Waffe nicht verlieren. Erstens ist es sehr wahrscheinlich, dass man sie brauchen wird - und zweitens wird der Zahlmeister sie vom Sold abziehen.«
    Percy schlug sein Skizzenbuch auf und setzte stirnrunzelnd den Stift an.
    »Warte, lass mich das notieren. Primum: Männer… retten. Secundum: Waffe… nicht… verlieren. Tertium: … was war noch einmal das Dritte?«
    »Leck mich am Arsch«, sagte Grey grob. »Du Esel.«
    Percy schlug prompt das Skizzenbuch zu und kam auf ihn zu. Jetzt leuchteten seine Augen noch heller.
    »Halt! Es war nicht ernst gemeint!«
    »Ich befolge nur meine Befehle«, murmelte Percy und hielt ihn auf dem Bett fest, indem er ihm das Knie auf den Oberschenkel setzte, während er mit der Hand nach seinem Hosenlatz griff. »Sir.«
    Der kurze, wenig würdevolle Ringkampf, der nun folgte - gespickt mit erstickten Beschuldigungen des Ungehorsams, der Arroganz, der Widersetzlichkeit, der Meuterei und der Tyrannei -, endete in einem Waffenstillstand, der die beteiligten Parteien auf dem Fußboden sah, atemlos, errötet, zerzaust, keuchend und durch und durch zufrieden mit den Bedingungen der Kapitulation.
    Grey, der sich erschöpft, aber friedvoll fühlte, kämpfte sich vom Boden empor und kletterte auf das Bett, wo er halb dösend liegen blieb, während Percy die verstreuten Überreste ihres Abendessens aufräumte.
    »Bist du mutig, John?« Percy zog eine Decke über ihn und küsste ihn auf die Stirn.
    »Nein«, sagte er, ohne zu zögern. »Das einzige Mal, dass meine Handlungsweise tatsächlich von etwas diktiert wurde, das ich für Mut hielt, ist in einer Katastrophe geendet.«

    Er war erstaunt, diese Worte aus seinem eigenen Mund zu hören.
    Er hatte Hal die ganze Geschichte damals - gezwungenermaßen - erzählt, obwohl es ihm unendlich viel lieber gewesen wäre, als Deserteur erschossen oder öffentlich ausgepeitscht zu werden. Er konnte sich immer noch an Hals Gesicht während seiner Schilderung erinnern: Erleichterung, Bestürzung, Wut, Gelächter, erneute Wut und - zum Kuckuck - Mitgefühl waren über sein feinknochiges Gesicht gehuscht wie Wasser, das über Steine fließt. Und was für Steine; die tiefen Falten und Schatten der Erschöpfung, Spuren der schlaflosen Nacht, die Hal auf der Suche nach ihm zugebracht hatte.
    Er hatte es nie wieder jemandem erzählt und fühlte sich im ersten Moment, als säße er auf einem Schlitten und wäre im Begriff, sich einen steilen, verschneiten Abhang hinunterzustürzen, an dessen Fuß ein eisiger Abgrund wartete. Doch Percys Gewicht drückte neben ihm die Matratze durch, und seine Hand lag warm in Greys Rücken.
    »Es war mein erster Feldzug«, sagte er und holte tief Luft. »Der Stuartaufstand. Ich hatte noch kein Patent; Hal hat mich mit dem Regiment nach Schottland mitgenommen, weil ich das Soldatenleben kennenlernen sollte.«
    In das er sich mit Begeisterung gestürzt hatte. Er liebte das raue Leben im Feld, das Exerzieren, die berauschenden Gerüche von Stahl und Schwarzpulver. Das erregende Gefühl der Gefahr auf dem Marsch nach Norden, in die kahlen Hügellandschaften und dunklen Kiefernwälder der Highlands, wo sich die Männer allmählich dichter umeinanderdrängten und umso wachsamer wurden, je weiter sie die Zivilisation hinter sich ließen. Und am meisten liebte er die simple Freude der Gesellschaft von Männern und das Gefühl, einer von ihnen zu sein.
    Er war schnell von Begriff und lernwillig. Waffen waren nichts Neues für ihn. Er hatte den Umgang mit dem Schwert gelernt, kaum dass er stehen konnte, und er konnte mit Bogen und Gewehr jagen. Es hatte nicht lange gedauert, bis man ihn
als Kundschafter und Furier einsetzte, und aus dem Argwohn, den ihm die Männer als dem jüngeren Bruder des Obersts entgegenbrachten, war schnell eine Art lässiger Respekt vor ihm als Mann geworden. Für einen Sechzehnjährigen auf seinem ersten Feldzug war das berauschender als holländischer Gin.
    Er ging regelmäßig abends mit den anderen Kundschaftern auf Patrouille, um zu kontrollieren, dass keine Gefahr lauerte, wenn sie ihr Lager aufschlugen.
    »Normalerweise sind wir zu zweit losgezogen; ich war an diesem Abend mit einem Soldaten namens Jenks unterwegs. Ein netter Kerl, aber er war gebaut wie ein Ochse. Ihm ging immer schnell die Puste aus, und er hatte nicht viel Lust, in den steilen Bergen herumzuklettern.« Als Grey