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Die Sünde der Brüder

Die Sünde der Brüder

Titel: Die Sünde der Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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auf das Bett zu legen, hörte sich seinen Kummer an und schenkte ihm einen Brandy ein, was ihn zu der Erkenntnis gelangen ließ, dass er vielleicht doch nicht auf der Stelle sterben würde.
    »Meinst du, zu kämpfen wird einfacher sein als dieser mühselige Weg zum Schlachtfeld?«, fragte Percy.
    »Ja«, sagte Grey fest überzeugt und nieste. »Viel einfacher.«
    Percy lachte und ging dann hinunter, um etwas zu essen aus dem Wirtshaus an der Ecke zu holen. Er kehrte mit Brot, Käse, Ale und einem Topf zurück, dessen Inhalt angeblich Muscheleintopf war - zumindest war er heiß.

    Grey begann, aus seinem durchnässten Elend aufzutauchen, zumindest genug, um sich ein wenig zu unterhalten und seine Umgebung zur Kenntnis zu nehmen. Zu seiner Überraschung sah er, dass Percy etwas gezeichnet hatte; er hatte einen billigen Künstlerblock und Zeichenkohle zur Seite geschoben. Das obere Blatt zeigte die Aussicht aus dem Fenster, angedeutet, aber mit Geschick und Feinfühligkeit angefertigt.
    »Das ist wirklich gut«, sagte er und hob die Skizze auf. »Ich wusste gar nicht, dass du zeichnen kannst.«
    Percy zuckte lässig mit den Achseln, freute sich aber dennoch sichtlich über das Lob.
    »Ein Freund meiner Mutter war Künstler. Er hat mir ein paar Kniffe gezeigt - mich aber auch gewarnt, dass das Künstlerdasein ein sicherer Weg zum Hungertod ist.«
    Grey lachte. Durch das Feuer, das warme Essen und das Bier eingelullt, widersprach er nicht, als Percy ein sauberes Blatt aufschlug und sein Gesicht zu skizzieren begann.
    »Du kannst ruhig reden«, murmelte Percy. »Ich sage dir, wenn du stillhalten musst.«
    »Was willst du denn mit einer Zeichnung von mir?«
    Percy blickte von seiner Arbeit auf, und seine braunen Augen schimmerten warm, aber ernst im Kerzenlicht.
    »Ich möchte eine Erinnerung an dich haben«, sagte er. »Für den Fall des Falles.«
    Grey hielt inne, dann stellte er seinen Becher hin.
    »Ich habe nicht vor, dich zu verlassen«, sagte er leise. »Dachtest du, das würde ich tun?«
    Percy sah ihm in die Augen, ein schwaches Lächeln auf den Lippen.
    »Nein«, sagte er leise. »Aber du bist Soldat, John, und wir ziehen in den Krieg. Kommt dir nie der Gedanke, dass du ums Leben kommen könntest?«
    Grey rieb sich den Mund. Die Frage brachte ihn ein wenig aus der Fassung.
    »Nun - doch. Aber ich … Um die Wahrheit zu sagen, denke ich kaum darüber nach. Es ist schließlich genauso gut möglich,
dass ich auf der Straße überfahren werde oder mich erkälte und an Pleuritis sterbe.« Er streckte einen Finger aus und berührte sein nasses Hemd, das über einem Hocker hing, um am Feuer zu trocknen.
    »Ja, das stimmt«, sagte Percy und fuhr mit seiner Arbeit fort. »Der Regimentsarzt hat mir gesagt, dass dreimal so viele Männer an der Ruhr oder anderen Krankheiten sterben wie tatsächlich durch einen Feind getötet werden. Es gibt keinen Grund, warum du nicht dazugehören solltest, oder?«
    Grey öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch eigentlich gab es darauf keine gute Antwort.
    »Ich weiß«, sagte Percy, den Kopf über das Blatt gebeugt. »Darüber denkst du ebenfalls nicht nach.«
    Grey seufzte und änderte seine Haltung ein wenig.
    »Nein«, gab er zu. »Machst du dir Sorgen?«
    Percy hatte die Zähne in seine Lippe gebohrt, und seine Finger zogen kurze, schnelle Linien. Ohne aufzublicken sagte er einen Moment später plötzlich: »Ich möchte nicht, dass du mich für einen Feigling hältst.«
    Oh, das war es also. Er hätte es wissen sollen.
    Am liebsten hätte er ihn einfach nur beruhigt, doch er zögerte. Auch er hatte diese Frage, oder zumindest eine sehr ähnliche Frage, einmal gestellt. Und Hector, seine erste Liebe, vier Jahre älter und ein erfahrener Soldat, hatte ihm nicht die Beruhigung geschenkt, um die er gebeten hatte, sondern die Aufrichtigkeit, die er gebraucht hatte. Er durfte Percy nicht weniger geben.
    »Manchmal ist es nicht so schlimm«, sagte er langsam, »und manchmal ist es grauenhaft. Die Wahrheit ist, dass man nie im Voraus weiß, wie es sein wird - und dass man nie im Voraus weiß, was man tun wird.«
    Percy blickte zu ihm auf, und seine Augen leuchteten vor Neugier.
    »Bist du je davongelaufen?«
    »Ja, natürlich. Seine Pflicht zu tun bedeutet nicht, dass man sich vor eine Geschützbatterie stellt und sich umbringen lässt.
Zumindest normalerweise«, fügte er hinzu. »Und man muss vor allem versuchen, seine Männer zu retten. Wenn das bedeutet, dass man den Rückzug antritt,

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