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Die Sünde der Brüder

Die Sünde der Brüder

Titel: Die Sünde der Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Stuckfries eine faszinierende Geschichte zu erzählen. »Hatte Pistole und Dolch in meinem Gürtel.«
    Doch er hatte die Pistole nicht geladen. Während er sich leise verfluchte, hatte er einen Moment mit dem Problem gerungen: Sollte er die Verzögerung durch das Laden, den Lärm des Schusses und die Möglichkeit riskieren, dass er sein Ziel verfehlte, oder den Dolch nehmen?
    »Du bist nicht auf die Idee gekommen, ihn gefangen zu nehmen?«, fragte Percy neugierig. »Statt zu versuchen, ihn umzubringen?«
    »Doch, natürlich«, sagte Grey mit einem leicht gereizten Unterton. »Aber ich war mir einigermaßen sicher, dass seine Männer ebenfalls irgendwo in der Nähe waren. Er war weithin bekannt, einer der schottischen Anführer; die Clans waren
dabei, sich zu sammeln - er wäre nie im Leben allein gewesen, wäre die Frau nicht gewesen. Und es war dunkel, und die Lichtung war an allen Seiten vom Wald umgeben. Du hast noch nie einen schottischen Kiefernwald gesehen - zwei Schritte in die Bäume hinein, und man ist verschwunden. Wenn ich versucht hätte, ihn gefangen zu nehmen, hätte er entweder um Hilfe rufen können - und mit einer ganzen Horde Clansmänner konnte ich es nun wirklich nicht aufnehmen - oder einfach im Unterholz verschwinden können. Woraufhin die Frau und ich lebende Zielscheiben gewesen wären; seine Männer hätten uns eingeholt, lange bevor ich die Frau von dem verdammten Berg hinunterbefördern konnte. Aber ich dachte, wenn ich ihn lautlos umbringen könnte, könnte ich sie vielleicht in Sicherheit bringen, bevor es jemand merkte. Und so habe ich meinen Dolch gezogen.«
    »Das war es, was du mit Mut gemeint hast.« Percys Hand legte sich fester um seine Schulter. »Mein Gott, ich hätte ja nicht einmal den Nerv besessen, an so etwas nur zu denken!«
    »Nun, dann wärst du sehr viel intelligenter als ich gewesen«, sagte Grey trocken.
    Sein Gesicht fühlte sich heiß an, rot vor Verlegenheit bei der Erinnerung daran - und durch die Erinnerung selbst, daran, wie das Blut durch seinen Körper gerauscht war, als er sich bereit machte, zum ersten Mal einen Menschen zu töten.
    Er hatte sich die Distanz sorgfältig ausgerechnet - drei Schritte im Eiltempo. Dann dem Mann den Arm um den Kopf legen, ihn nach hinten reißen und ihm mit dem Dolch fest über die entblößte Kehle fahren. Das war Sergeant O’Connells Anweisung gewesen, wenn sie einen Feind auf engem Raum überraschten. Sie hatten es geübt, er und einige andere der jüngeren Soldaten, und sie hatten abwechselnd das Opfer oder den Angreifer gespielt. Er wusste genau, was er tun musste.
    »Also habe ich es getan«, sagte er mit einem Seufzer. »Ich habe ihm den Arm um den Kopf gelegt - und er war nicht mehr da. Im nächsten Moment bin ich im hohen Bogen durch die Luft geflogen.«

    Der Dolch war ihm aus den verschwitzten Fingern gesegelt. Er war hart auf dem Boden gelandet, und dann war etwas auf ihn gefallen. Er hatte sich instinktiv gewehrt, benommen und atemlos, aber in dem vollen Bewusstsein, dass er um sein Leben kämpfte. Hatte getreten, geschlagen, gekratzt, gebissen - und meistens nur leere Luft vorgefunden.
    Unterdessen war eine Elementargewalt über ihn hergefallen, und ein mörderischer Hieb in die Rippen hatte ihm den Rest seines Atems geraubt. Er hatte blind um sich getastet, und ein stählerner Griff hatte seinen Arm gepackt und ihn verdreht. Er war panisch aufgefahren, und sein Arm war durchgebrochen wie ein Stöckchen.
    »Nun … das Ende vom Lied war, dass die verflixte Engländerin Frasers Frau war. Und mich haben sie zum Lohn für meine Mühen an einen Baum gefesselt und so zurückgelassen, dass mich die Männer meines Bruders am Morgen finden mussten.«
    »Himmel! Du warst die ganze Nacht da? Mit einem gebrochenen Arm? Du musst ja Höllenqualen durchlitten haben!«
    »Nun, ja«, räumte Grey widerstrebend ein. »Eigentlich waren es eher die verdammten Mücken. Und, dass ich dringend pinkeln musste. Von dem Arm habe ich gar nicht so viel gemerkt.« Den brennenden Schmerz an seinem Kinn, an das Fraser seine scharfe Dolchklinge gehalten hatte, erwähnte er nicht. Genauso wenig wie seinen Rücken, den er sich wundgescheuert hatte, als er versuchte, sich zu befreien. Diese körperlichen Unannehmlichkeiten waren ihm unwichtig erschienen im Vergleich mit den Gedanken, die ihn quälten, als er begriff, zu welch ungeheuerlichem Verrat er verleitet worden war.
    »Unterdessen -« Er räusperte sich, fest entschlossen, es zu Ende zu

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