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Die Sünde der Brüder

Die Sünde der Brüder

Titel: Die Sünde der Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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hastige Berechnung des Windes an, während er schon den Befehl rief, die Drehzapfen neu zu justieren und den Lauf zu senken - ein Grad? Zwei?
    Jetzt sah er, wie sich hinter dem französischen Geschütz die Infanterie drängte.
    Ob er sich an jenem interessanten Manöver versuchen sollte, bei dem man eine Kanonenkugel mit Absicht tief fliegen ließ, um sie wiederholt in eine feindliche Phalanx prallen zu lassen? Hinter der Kanone drängte sich eine wimmelnde Masse französischer Uniformen, perfekt… Er hätte allerdings gedacht, der Boden wäre zu feucht dazu, hätte er nicht gerade mit angesehen, wie der Gegner genau diese Technik erfolgreich anwandte. Er biss die Zähne zusammen, konnte aber nicht verhindern, dass sich sein Blick auf den gefallenen Leutnant richtete. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er zu Füßen einer Kreuzwegstation zu Fall gekommen war. Sie war mit IX bezeichnet, doch er hatte keine Zeit zu versuchen, das Bild zu erkennen.
    »Fünf!«, brüllte er und ließ den Blick über die in Bewegung befindlichen französischen Linien schweifen. »Und ein Grad nach Westen!« Der Rammer stieß seinen Ladestock in den Kanonenlauf; der Junge, der das Pulver bewachte, rannte auf ihn zu, um den Ladern zu helfen, die jetzt die Drehzapfen herauszogen, sie wieder hineinsteckten und sich dann gegen die Kanonendeichsel warfen und den Lauf so weit drehten, dass …
    »Laden!«
    Der Regen kam und ging in windigen Schauern; gerade jetzt hatte er ausgesetzt, und er wischte sich erneut mit dem Ärmel über das Gesicht und spürte, wie ihm etwas Flüssiges - Wasser, Schweiß, Blut - von seinem Zopf in den Rock tropfte.

    »Feuer!«
    Bei Gott, es funktionierte, und seine Kanoniere stießen Jubelgeschrei aus, während sie zusahen, wie die Kugel todbringend über das Feld hüpfte und die Franzosen fällte wie die Kegel.
    »Noch einmal, noch einmal!«, brüllte er und hieb mit der Faust auf den Kanonenlauf. Der Rammer war schon wie ein Verrückter am Werk, ohne einen Befehl abzuwarten, und die Lader schoben gerade die Kugel in die Mündung.
    »Duckt euch!«, rief er und warf sich gemeinsam mit den Männern auf den Boden, als sich ein Gegenschuss keine zwei Meter vor ihnen in den Boden grub. Die französischen Kanoniere hüpften auf und nieder wie die Flöhe und freuten sich diebisch über die Wirkung, die ihr Schuss zeigte. Grey war gezwungen, erneut den Tonfall zu ändern und einem Mann mit der flachen Klinge einen Hieb über den Rücken zu verpassen, um seine Kanoniere wieder zur Vernunft zu bringen.
    »Schwenkt den Lauf! Schwenkt den Lauf und zielt auf sie! Schnell, verdammt!«
    Da sie mit einem Mal begriffen, in welch gefährlicher und gleichzeitig günstiger Lage sie sich befanden, machten sich seine Männer ans Werk und schwenkten die Kanone so, dass sie direkt auf das französische Geschütz zielte. Der Jubel der Franzosen verstummte abrupt, und sie begannen hastig, ebenfalls zu laden.
    Die Franzosen hatten ihr Ziel bereits justiert, und es gab keinen Zweifel, dass sie sie schlagen würden - Grey riss sich die nutzlose Pistole aus dem Gürtel und stürzte auf die französische Stellung zu. Er schrie wie ein Berserker und wedelte wild mit Pistole und Schwert. Der Boden schien unter seinen Füßen zu schwanken; Gras und Schlamm verschwammen vor seinen Augen.
    Der Abstand zwischen der englischen und der französischen Kanone betrug etwa zweihundert Meter. Er kam nah genug heran, um die Franzosen mit offenen Mündern dastehen zu sehen, als ihr Offizier plötzlich begriff, was Grey vorhatte, und
seinerseits hektisch nach seiner Pistole griff. Grey machte prompt kehrt und raste wie ein Hase zu seinen Männern zurück, hüpfte über kleine Büsche hinweg, bewegte sich im Zickzack und suchte Schutz in den dahintreibenden Rauchwölkchen. Er konnte nicht sagen, ob der Franzose auf ihn schoss oder nicht; die Luft war von vereinzelten Schüssen und dem Klang der Signalhörner erfüllt. Diese gottverdammte Kavallerie, dachte er. Immer im Weg -
    »Duckt Euch!«, rief jemand aus, und er warf sich kopfüber in das nasse Gras, als seine Männer die Kanone abfeuerten. Ohne sich nach der Wirkung des Schusses umzusehen, rappelte er sich in die Hocke hoch und legte den Rest des Weges gebückt zurück. Erschöpft und keuchend erreichte er die Kanone schließlich unter dem Beifall seiner Männer.
    »Noch einmal«, keuchte er. »Gebt es ihnen!«
    Die Männer waren schon dabei; jemand drückte ihm den Zündstock in die Hand, und er tastete nach

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