Die Sünde der Brüder
sich durch das Licht, und es beugte sich jemand über ihn.
»Mylord!« Tom Byrds Stimme drang laut in sein Ohr, irgendwo zwischen Angst und Hoffnung. »Rasch, rasch! Holt den Grafen - er ist aufgewacht!«
»Graf?«, krächzte Grey. »Was … Hal?«
»Euer Bruder, aye. Er kommt sofort, Mylord, macht Euch keine Gedanken. Möchtet Ihr etwas Wasser, Mylord?«
Wasser wünschte er sich mehr als den Himmel, die Erde oder die Schätze des sagenumwobenen Ostens. Er bekam dumpf mit, dass jemand darüber diskutierte, ob er es bekommen dürfe, doch sein unbezahlbarer Tom fauchte wie ein Dachs und schob denjenigen beiseite.
Ein kühles Tongefäß berührte seinen Mund, und er verschluckte sich fast beim Trinken.
»Langsam, Mylord«, sagte Tom, der ihm den Becher fortzog und ihm die Hand auf den Hinterkopf legte, um ihn zu stützen. »Ganz langsam. Genau. Wie ein Hund, immer nur ein bisschen.«
Er schleckte mit der Zunge, verlangte nach mehr, hätte seinen vertrockneten Mund und seine Kehle so gern mit Wasser getränkt, schmeckte schwach das Silber des Blutes von seiner aufgeplatzten Lippe. Für einen kurzen Moment der Ekstase gab es nur die Seligkeit, Wasser zu trinken. Doch der Becher verschwand wieder, und Tom ließ seinen Kopf sanft auf das Kissen zurücksinken, sodass er schwach hechelnd zur Decke blinzelte.
Um des Wassers willen hatte er den Schmerz in seiner Brust und seinem Arm ignoriert, doch jetzt stellte er fest, dass er nicht durchatmen konnte. Seine linke Körperhälfte schien irgendwo festzustecken, und ganz plötzlich fiel ihm wieder ein, wie jemand gesagt hatte, sein Arm wäre abgetrennt worden.
Er fuhr zusammen, versuchte, den Kopf zu heben, um nachzusehen, und griff mit der rechten Hand über seinen Körper hinweg.
»Oh, Himmel!« Bunte Lichter tanzten ihm vor den Augen, und ihm brach am ganzen Körper der kalte Schweiß aus - doch sein linker Arm war Gott sei Dank noch da. Er war zwar noch da, war aber eindeutig in keiner guten Verfassung. Er versuchte, mit den Fingern zu wackeln, was sich als Fehler herausstellte.
»Nicht bewegen, Mylord!« Tom klang alarmiert. »Das dürft
Ihr nicht. Der Arzt sagt, es könnte Euch umbringen, wenn Ihr Euch bewegt.«
Das bezweifelte er nicht. Der Schmerz war zurückgekehrt; grimmig hockte er ihm auf der Brust und verschlug ihm den Atem, während er geduldig versuchte, sein Herz zum Stehen zu bringen.
Er lag mit geschlossenen Augen und zusammengebissenen Zähnen still und atmete in winzigen, flachen Zügen. Ganz in der Nähe konnte er Schweine riechen. Es musste eines der Bauernhäuser von Hückelsmay sein.
»Tom? Was ist… passiert?«
»Sie sagen, die Kanone ist in die Luft geflogen, Mylord. Aber die Schlacht haben wir gewonnen«, fügte er hinzu, obwohl dies Grey im Moment nicht sonderlich interessierte. »Und Mr. Brett wäre fast in der Landwehr ertrunken, aber Mr. Tarleton hat ihn herausgefischt.«
Inzwischen waren weitere Personen im Zimmer, er wusste nicht, wie viele. Ernstes Stimmengemurmel. Tom plapperte ihm Unsinn ins Ohr, ein eindeutiger Versuch zu verhindern, dass er hörte, was gesagt wurde. Er hob die rechte Hand, ließ sie aber wieder sinken, zu erschöpft, um auch nur zu versuchen, Tom zum Schweigen zu bringen. Außerdem hatte er das Gefühl, dass er besser wirklich nicht hörte, was sie sagten.
Die Stimmen verstummten und entfernten sich. Tom hörte ebenfalls auf zu reden, blieb aber bei ihm, um ihm den Schweiß aus dem Gesicht und vom Hals zu tupfen und ihm hin und wieder die Lippen mit Wasser aus dem Becher anzufeuchten.
Er konnte spüren, wie das Fieber aufkam. Es war ein gerissener Feind, kaum zu spüren im Vergleich mit dem Schmerz, doch er war sich bewusst, dass es da war. Er wusste, dass er dagegen ankämpfen sollte, fühlte sich aber zu müde, um irgendetwas anderes zu tun, außer weiterzuatmen, ein kurzer, flacher Keuchlaut nach dem anderen.
Vielleicht schlief er ein, vielleicht wanderten seine Gedanken auch nur. Unvermittelt kam ihm zu Bewusstsein, dass die Stimmen wieder da waren, und diesmal war Hal dabei.
»Geht es, John?« Hals Hand ergriff seinen unverletzten rechten Arm und drückte zu.
»Nein.«
Der Druck der Hand wurde stärker.
»Seht Ihr, Mylord?« Auf seiner anderen Seite erklang eine andere Stimme. Er öffnete ein Auge gerade so weit, dass er einen ernsten Herrn mit einem langen Gesicht und einem strengen Mund sehen konnte, der aus Missfallen über Greys Zustand - oder möglicherweise über seine bloße Existenz -
Weitere Kostenlose Bücher