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Die Sünde der Brüder

Die Sünde der Brüder

Titel: Die Sünde der Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Klinge eine Ohrfeige, die ihn quer über dem Kanonenlauf landen ließ, dann wandte er sich dem Rammer zu, dessen weiße Augen ihm
aus dem rußgeschwärzten Gesicht entgegenstarrten, als sei er Satan persönlich.
    »Aufheben!«, brüllte Grey und wies mit dem Schwert auf den Ladestock, der im Gras lag. »Los, verdammt! Zurück an Euren Posten, verdammt - los, sage ich!« Einer der Lader hatte versucht, sich an ihm vorbeizuschleichen. Der Mann blieb wie versteinert stehen, während seine Augen panisch hin und her rollten und einen Fluchtweg suchten.
    Grey packte den Mann an der Schulter, drehte ihn halb um und rammte ihm schreiend das Knie in den Hintern. Er hatte Blut im Mund; er spuckte es würgend aus und trat nach dem Lader, der jetzt halbherzig die Kanonenkugeln unter ihrer Segeltuchabdeckung betastete. Der andere Lader war schon geflohen; er konnte das Hemd des Mannes beim Laufen auf und ab hüpfen sehen.
    Grey machte instinktiv einen Satz in die Richtung, in die der Mann gerannt war, begriff aber, dass er dem Deserteur nicht folgen konnte, und wandte sich stattdessen tobend an die verbliebenen Kanoniere.
    »Laden!«, bellte er. Er entriss seinem Nebenmann den Zündstock und wies ihn an, den Platz des desertierten Soldaten einzunehmen. Der Rammer und der zweite Lader machten sich blitzartig an die Arbeit, nachdem sie einen letzten hastigen Blick auf Greys blutüberströmte, wütende Erscheinung geworfen hatten. Der Mann, der bis jetzt die Lunte bedient hatte, stellte sich ungeschickt, aber willig an. Er trieb sie knurrend durch das Manöver hindurch, einmal, noch einmal, mit Druck, mit Geduld, bis er spürte, wie sie allmählich wieder in den gewohnten Rhythmus ihrer Aufgabe verfielen, schneller wurden und der Schrecken allmählich von ihnen abfiel, weil sie sich wieder ganz auf die Bedienung der Kanone konzentrierten.
    Seine Kehle war wund. Der Wind peitschte die Hälfte seiner Worte davon, und der Rest war kaum zu verstehen - doch er sah, dass die Kanoniere auf den Ansturm seiner Stimme reagierten, und brüllte weiter.
    Irgendwo in ihrer Nähe wurden Kanonen abgefeuert, doch
er konnte nicht sagen, ob es Freund oder Feind war; schwarzer Pulverrauch rollte in Wolken über sie hinweg und versperrte ihnen die Sicht.
    Seine durchnässten Kleider waren wieder kalt geworden, und es regnete. Er hatte sich das Röhrchen mit der brennenden Lunte an seinen Gürtel gebunden. Seine Finger waren steif und ungeschickt; er hatte Schwierigkeiten damit, die brennende Zündschnur in den Zündstock einzufädeln, zwang sich aber, den Rhythmus seiner Befehle beizubehalten, obwohl seine Stimme wie zerbrochenes Eisen klang. Schwamm. Kugel. Rammen. Ladewatte. Rammen. Pulver. Zurückbleiben! Und dann die zischende kleine Flamme am Ende des Zündstocks, die sich zielsicher über das Zündloch senkte, als sei sie unabhängig von der Hand, die sie führte.
    Der Moment gespannter Erwartung, endlich der Knall und der Rückstoß der Kanone. Der Knall war jedes Mal ohrenbetäubend; er war sich nur deshalb sicher, dass er immer noch brüllte, weil seine Kehle schmerzte. Er nahm sich ein Stück feuchte Ladewatte und stopfte es sich hastig in die Ohren. Es half nicht viel.
    Der Regen wurde jetzt stärker und durchdrang den Rauch und den Blutgeschmack mit einer Frische, die seiner schmerzenden Brust Linderung brachte. Das Schießpulver, war es abgedeckt? Ja, ja, der Soldat, der dafür zuständig war, war noch auf seinem Posten, ein angesengt aussehender Junge mit angsterfüllten Augen, der jedoch mit aller Kraft das Segeltuch zum Schutz gegen den Wind über den Pulverfässern festhielt.
    »Schwamm!«, rief er und hörte das Wort gedämpft im Inneren seines Schädels, als käme es von weit her. »Laden! Rammen!«
    Bevor er die nächste Ladung zündete, nahm er sich einen Moment Zeit - bis jetzt hatte er die Kanone abgefeuert, ohne auch nur einen einzigen Gedanken an die eventuelle Wirkung der Geschosse zu verschwenden - und zwang sich dann, nicht mit der Wimper zu zucken, als die Kanone mit einem gewaltigen Hüpfer losging und es krachte, dass man das Gefühl bekam,
der Boden würde beben, obwohl es doch in Wirklichkeit nur die eigenen Nerven waren.
    Die Kugel segelte hoch durch die Luft und landete keine fünfzehn Meter vor einer französischen Geschützbatterie. Ein plötzlicher Windstoß fegte den Rauch beiseite, und er sah ihre Uniformen aufleuchten, bevor auch ihre Kanone Rauch spuckte. Der Schuss verfehlte ihn weit, und er stellte eine

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