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Die Sünde der Brüder

Die Sünde der Brüder

Titel: Die Sünde der Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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der Zündschnur, doch seine Hand zitterte zu sehr. Der Pulverjunge ergriff das bebende Ende der Lunte, fädelte sie ein, und schnitt sie dann so hastig ab, dass die Messerspitze Greys Hand anritzte, aber er spürte es gar nicht.
    »Zurück!«, keuchte er und hielt die zischende Lunte über das Zündloch.
    Es folgte eine Sekunde atemloser Erwartung, und dann versank die Welt in einer Explosion aus Feuer und Schwärze.
     
    Er erwachte mit dem Gefühl zu ertrinken und schnappte nach Luft. Dann erstarrte er, weil der Schmerz, der ihn ergriff, so heftig war, dass er ihn tatsächlich sehen konnte, ein Wesen außerhalb seiner selbst. Es war rot, mit Schwarz durchzogen und drehte sich pulsierend wie ein Feuerrad. Scharf… er spürte seine Lungen bersten, musste einfach atmen und hätte aufgeschrien, wenn er die Luft dazu gehabt hätte, weil ihm die messerscharfe Kante des brennenden Rades durch den Körper fuhr wie durch Butter. Sie ging ihm mitten durch die Brust und presste ihn zu Boden.

    »Major! Major!«
    Jemand berührte ihn, und er tastete blind nach Hilfe. Gott, Hilfe, er bekam keine Luft …
    Etwas, das kleiner war als der Schmerz, griff nach ihm, und plötzlich lag er zusammengekrümmt auf der Seite, hustete, fuhr bei jedem unwillkürlichen Huster qualerfüllt zusammen, doch er musste husten, konnte nicht aufhören, konnte es nicht, konnte es nicht… konnte es nicht, und Stacheln aus Luft bohrten sich beim Eindringen in seine Brust, als hätte er einen Haufen Nadeln eingeatmet, und ließen beim Ausatmen weißglühenden Schmerz und schwarzen Rauch zurück.
    »Major!«
    »Oh, Mist, Mist, Mist!«, zischte jemand neben ihm.
    Dem konnte er nur zustimmen, auch wenn er das nicht sagen konnte. Er hustete immer noch, allerdings nicht mehr so heftig; ihm lief der Speichel aus dem Mund und über die rußige Haut, und er schien bei jedem krampfhaften Atemstoß einen Jammerlaut auszustoßen.
    Hände berührten ihn, er spürte sie, wie sie hektisch an seinem Rock zerrten, an seinen Gliedmaßen. Er stieß einen panischen Protestlaut aus und spürte seine Knochenenden knirschen - Himmel, er hörte sie knirschen; es kreiste ihm grün und braun und blau vor den Augen, und er begriff dumpf, dass er sie geöffnet hatte.
    Er blinzelte, weil ihm das Wasser aus den Augen lief, sah seine verklebten Wimpern als schwarze Stacheln, und neben seinem Gesicht ragte ein grauer Stein auf.
    Jesus fällt zum dritten Mal , dachte er. Armer Kerl .
    Irgendjemand bellte über seinem Kopf bedeutungslose Worte. In der Nähe donnerten Kanonen; er spürte den Boden erbeben, spürte, wie ihm bei jedem Knall das Herz stehen blieb, und wünschte, es würde ein für alle Mal aufhören; es schmerzte so, wenn es erneut begann…
    »Himmel! Seht Euch an, wie er blutet! Das überlebt er nie!«
    »Sein Arm, lasst mich seinen Arm verbinden -«

    »Sinnlos, er ist doch komplett abgetrennt!«
    »Nein, ich habe doch gesehen, wie sich seine Finger bewegt haben, zurück - zurück , habe ich gesagt, zum Kuckuck!«
    Die Stimmen schienen durch einen Nebel aus Lärm zu kommen, ein Rauschen, das seine Ohren erfüllte wie ein Wasserfall. Zwar spürte er die Explosionen der Kanonen noch, doch sie waren jetzt irgendwie gedämpft und schienen in sicherer Ferne. Der Schmerz hatte sich in sich zurückgezogen und lauerte dumpf in seiner Brust, glühend wie ein Metallstückchen, das aus der Esse eines Schmiedes fliegt, geschmolzen und schwer.
    Er hoffte, dass sein Herz dem Splitter nicht zu nahe kommen würde. Auch sein Herz konnte er sehen, dunkelrot und pulsierend, beinahe schwarz im Vergleich mit dem leuchtenden Karmesin des Schmerzes.
    Jetzt sagten sie irgendetwas über die Kanone - kämpften sie mit der Kanone… Doch er konnte sich nicht auf die Worte konzentrieren; sie rauschten an ihm vorüber, Teil eines Wasserfalls, laut in seinen Ohren. Wasser … warmes Wasser. Es spülte über ihn hinweg, seine Kleider fühlten sich nass an, er konnte es an seinem Hals hinabrinnen spüren, über seine Rippen, konnte spüren, wie ihm der nasse Stoff am Bauch festklebte.
    »Oh, Himmel«, sagte eine Stimme über ihm verzweifelt. »So viel Blut.«
     
    Er war irgendwo in einem lichterfüllten Raum. Verwundet, er war verwundet worden. Er fasste sich automatisch an die Hoden. Die beruhigende Tatsache ihres Vorhandenseins entschädigte ihn zumindest teilweise für den brennenden Schmerz, der ihm bei dieser Bewegung durch den Körper fuhr, doch er musste dennoch aufkeuchen.
    Etwas bewegte

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