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Die Sünde der Brüder

Die Sünde der Brüder

Titel: Die Sünde der Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Regimentswahl anspreche, oder willst du lieber mit dem General verhandeln?«
    Hal trommelte kurz mit den Fingern auf den Tisch, dann fasste er seinen Entschluss.
    »Frag ihn nur direkt. Wenn er Mitglied unserer Familie und des Regiments werden soll, sollten wir ihn meiner Meinung
nach auch von Anfang an so behandeln. Außerdem ist er eher in deinem Alter. Ich glaube, er hat ein bisschen Angst vor mir.« Hal runzelte verwundert die Stirn, und Grey lächelte. Sein Bruder stellte sich gern bescheiden und harmlos und gab vor, nicht zu wissen, dass ihn seine Soldaten zwar vergötterten, aber gleichzeitig Todesangst vor ihm hatten.
    »Dann spreche ich also mit ihm.«
    Grey machte Anstalten, sich zu erheben, doch Hal winkte ihn mit nach wie vor gerunzelter Stirn zurück.
    »Warte. Da ist - noch etwas.«
    Es lag ein so gequälter Unterton in der Stimme seines Bruders, dass Grey Hal scharf ansah. Von seinen Gedanken an Percy Wainwright abgelenkt, hatte er Hal noch keines bewussten Blickes gewürdigt; jetzt sah er die Anspannung rings um dessen Mund und Augen. Also gab es Ärger.
    »Was ist denn?«
    Hal verzog das Gesicht, doch bevor er antworten konnte, kamen Schritte durch den Flur, und jemand klopfte zaghaft an den Rahmen der offenen Tür. Grey wandte sich um und sah einen jungen Husaren, dessen Gesicht vom kalten Wind gerötet war.
    »Mylord? Ich habe eine Botschaft aus dem Ministerium. Man hat mir aufgetragen, eine Antwort abzuwarten«, fügte er verlegen hinzu.
    Hal warf dem Boten einen finsteren Blick zu, winkte dann aber ungeduldig und entriss ihm den Brief.
    »Wartet unten«, sagte er und entließ den Husaren mit einer Geste. Er brach das Siegel und las den Brief rasch durch, wobei er einen gotteslästerlichen Fluch vor sich hin murmelte. Dann ergriff er einen Federkiel und kritzelte eine Antwort an den Fuß der Seite.
    Grey lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und wartete. Er ließ den Blick durch die Amtsstube schweifen und fragte sich dabei, was wohl seit gestern vorgefallen sein konnte. Während ihres Mittagessens mit dem General und Percy hatte Hal noch nicht den Eindruck gemacht, als ob ihn etwas bedrückte.

    Er hätte nicht sagen können, was seinen Blick auf das Stück Papier zog. Hals Amtsstube hatte größte Ähnlichkeit mit der Höhle eines großen, unordentlichen Raubtiers, und er konnte zwar - genau wie sein Sekretär, Mr. Beasley - in Sekunden die Hand auf jedes gewünschte Dokument legen, doch sonst war niemand in der Lage, sich in diesem Durcheinander zurechtzufinden.
    Besagtes Papier lag mit vielen anderen Dokumenten auf dem Schreibtisch verstreut, von denen es sich nur durch eine unregelmäßige Kante unterschied, als hätte man es aus einem Buch gerissen. Grey ergriff es, warf einen beiläufigen Blick darauf und erstarrte dann, die Augen fest auf die Seite geheftet.
    »Lass die Finger von meinen Papieren, John«, sagte Hal, der seine Antwort gerade mit einer heftig hingekritzelten Signatur vollendete. »Du bringst noch alles durcheinander. Was hast du denn da?« Er ließ den Federkiel auf den Tisch fallen und entriss Grey ungeduldig das Blatt. Er schien es wieder auf den Tisch legen zu wollen, doch dann fiel sein Blick auf die Worte, und auch er erstarrte.
    »Es ist doch das, wofür ich es halte, oder?«, fragte Grey mit einem mulmigen Gefühl. »Vaters Handschrift?« Es war eine rhetorische Frage; er hatte sowohl die Handschrift als auch den Schreibstil sofort erkannt. Hal hatte ihn ohnehin nicht gehört; ihm war das Blut aus dem Gesicht gewichen, und er las den Tagebucheintrag - denn das war es eindeutig -, als wäre er sein eigener Hinrichtungsbefehl.
    »Er hat es verbrannt«, flüsterte Hal und schluckte. »Sie hat gesagt, er hätte es verbrannt.«
    »Wer?«, fragte Grey verblüfft. »Mutter?«
    Hal blickte abrupt zu ihm auf, ignorierte seine Frage jedoch.
    »Woher kommt das?«, wollte er wissen, und kaum hatte er Greys Schulterzucken abgewartet, als er auch schon rief: »Mr. Beasley! Ich brauche Sie!«
    Mr. Beasley, der prompt aus seinem eigenen, makellosen Unterschlupf auftauchte, beteuerte, nichts von dem Blatt Papier
zu wissen, und beharrte darauf, nicht die geringste Ahnung zu haben, wie es in Hals Amtsstube gelangt sein könnte. Allerdings konnte er mit der nützlichen Information aufwarten, dass sich das Papier am Morgen definitiv noch nicht auf dem Schreibtisch befunden hatte.
    »Woran in aller Welt wollt Ihr das merken?«, erkundigte sich Grey mit einem verächtlichen Blick auf den

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