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Die Sünde der Brüder

Die Sünde der Brüder

Titel: Die Sünde der Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Greys Blicken auswich. Hal war ein guter Lügner, wenn es nötig war, doch Grey kannte seinen Bruder außerordentlich gut - und Hal kannte ihn. Er holte tief Luft, um seine Gedanken zu ordnen. Der Geruch verbrannten Papiers hing ihm scharf in der Nase.
    »Es ist eindeutig nicht verbrannt worden«, sagte Grey langsam. »Also müssen wir erstens davon ausgehen, dass es jemand gestohlen hat, und zweitens, dass der Dieb es bis heute aufbewahrt hat. Wer und warum? Und warum lässt er - wer es auch immer ist - dich ausgerechnet jetzt wissen, dass er es hat? Und warum hat Mutter -?«
    »Woher zum Teufel soll ich das wissen?« Nun sah Hal ihn an, und Greys Wut ließ nach, als er sah, dass sein Bruder tatsächlich die Wahrheit sagte. Er sah noch etwas, das ihn extrem beunruhigte - sein Bruder hatte Angst.
    »Will dir jemand drohen?«, fragte er und senkte seine Stimme noch weiter. Die Seite hatte nichts enthalten, was auf
etwas Derartiges hingedeutet hätte; es war der Teil eines Berichtes gewesen, den sein Vater über die Begegnung mit einem alten Freund und ihr Gespräch über die Astronomie verfasst hatte, ganz und gar harmlos. Also hatte die Seite nur dem Zweck gedient, Hal von der Existenz des Tagebuchs in Kenntnis zu setzen - und von den Dingen, die dieses möglicherweise sonst noch enthielt.
    »Weiß der Himmel«, sagte Hal. »Was zum Teufel könnte es - nun ja.« Er rieb sich fest mit dem Fingerknöchel über die Lippen und sah Grey an. » Kein Wort zu Mutter. Ich spreche mit ihr darüber«, fügte er hinzu, als er sah, dass Grey im Begriff war zu protestieren.
    Der Klang von Stiefeln und Stimmen im Flur verhinderte eine Fortsetzung des Gesprächs. Hauptmann Wilmot mit seinem Sergeanten und einem Schreiber der Kompanie. Hal streckte die Hand aus und schloss leise die Tür; sie warteten schweigend, bis die Geräusche verklungen waren.
    »Kennst du einen Mann namens Melchior Ffoulkes?«, fragte Hal abrupt.
    »Nein«, erwiderte Grey, der sich fragte, ob dies etwas mit ihrem Problem zu tun hatte oder es wieder ein Themenwechsel war. »Ich bin mir hinreichend sicher, dass ich mich erinnern könnte, wenn ich ihn kennen würde.«
    Das entlockte Hal ein angedeutetes Lächeln.
    »Ja, das stimmt. Oder einen Privatgefreiten namens Harrison Otway? Aus dem 11ten Infanterieregiment?«
    »Was für ein lächerlicher Name. Nein, wer ist das?«
    »Hauptmann Michael Bates?«
    »Nun, ich habe zumindest von ihm gehört. Von der berittenen Garde, nicht wahr? Ein schneidiger Kerl, wie Tom Byrd es ausdrücken würde. Was ist der Grund für dieses Verhör, wenn ich fragen darf? Setz dich doch, Hal.« Er setzte sich ebenfalls, und nach kurzem Zögern folgte Hal seinem Beispiel.
    »Bist du Hauptmann Bates schon einmal begegnet?«
    Grey wurde langsam ärgerlich, und er antwortete respektlos:
»Nicht, dass ich wüsste. Ich könnte natürlich nicht schwören, dass ich noch nie in einem Wirtshaus mit ihm das Bett geteilt habe -«
    Hals Hand packte ihn so fest am Unterarm, dass er nach Luft schnappte.
    »Nicht«, sagte Hal ganz leise. »Darüber darfst du keine Witze machen.«
    Grey starrte seinem Bruder in die Augen und sah, wie tief die Falten in seinem Gesicht waren. Die Tagebuchseite hatte ihn erschüttert, doch er war vorher schon beunruhigt gewesen.
    »Lass los«, sagte Grey leise. »Was geht hier vor?«
    Hal löste langsam seinen Griff.
    »Ich weiß es nicht. Noch nicht.«
    »Wer sind diese Männer? Gibt es irgendeinen Zusammenhang mit -« Er richtete den Blick auf das Kaminfeuer, doch Hal schüttelte den Kopf.
    »Ich weiß es nicht. Ich glaube es zwar nicht - aber es ist möglich.« Schritte hallten durch den Flur, und Hal verstummte abrupt. Die Schritte waren deutlich zu erkennen, ein kräftiger Mann, der schwer humpelte. Ewart Symington, der zweite Regimentsoberst, Harry Quarrys Gegenstück.
    Hal verzog das Gesicht, und John nickte verständnisvoll. Ihnen war im Moment beiden nicht danach, mit Symington zu sprechen. Sie warteten schweigend ab. Wie erwartet kamen die Schritte zum Halten, und eine Faust donnerte gegen die Paneele der Tür. Symington benahm sich so grobschlächtig wie er aussah - er hatte größte Ähnlichkeit mit einem wilden Eber, der sich den Magen verdorben hatte.
    Ein weiterer donnernder Ansturm gegen die Tür, eine kurze Pause, dann stieß Symington einen leisen Fluch aus und humpelte davon.
    »Er kommt zurück«, murmelte Hal und nahm seinen Umhang vom Haken neben der Tür. »Komm mit mir zu White’s, wir können uns

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