Die Sünde in mir
einfach mit den Füßen abstoßen. Meine Freundinnen rissen sich darum, als Beifahrer bei mir mitzufahren. Als wir alle eine Runde gedreht hatten und meine Freundinnen rein mussten, fuhr ich eine letzte Runde mit Tanja. Sie sah ganz ernst aus und lachte gar nicht, klammerte sich nur an den Sitz, so als hätte sie Angst. Ich fuhr ganz langsam, lenkte nach links und wollte wieder nach Hause, aber da versperrten uns zwei große Jungs den Weg. Die kannte ich vom Sehen.
„Wir wollen auch mal fahren“, sagte der eine. Ich durfte das Auto aber nicht abgeben, hatte Papa gesagt. Was sollte ich denn jetzt machen?
„Los, steigt aus. Ihr könnt so lange mit unserem Seil spielen, bis wir wieder da sind“, meinte der andere.
Ich konnte nicht umdrehen, wenn die im Weg standen und rückwärts wäre ich auch viel zu langsam gewesen. Also stieg ich aus und half Tanja raus zu klettern. Die Jungs waren viel zu groß und konnten sich gar nicht auf die Sitze setzen. Einer blieb oben auf der Kopfstütze hocken und der andere schob ihn an. Dann verschwanden sie johlend um die Ecke.
Unschlüssig stand ich mit dem alten Seil da, das sie mir gegeben hatten. Mir blieb nichts übrig, als zu warten. Ich spielte mit Tanja Pferdchen und band ihr das Seil als Leine um. Wir blieben aber in der Nähe, weil wir ja die Jungen nicht verpassen wollten. Um sechs Uhr ertönte die Glocke vom Kirchturm. Wir hätten längst zu Hause sein müssen! Um sechs musste Tanja ja schon ins Bett!
Irgendwann sah ich ein, dass die Jungen wohl nicht mehr kommen würden. Mit hängendem Kopf schlich ich mich nach Hause. Natürlich schimpfte Papa gleich los, aber was hätte ich denn machen sollen? Er schickte mich ohne Abendbrot ins Bett, während Tanja ungeschoren davon kam. Ich heulte in mein Kissen, damit es niemand hörte.
Am nächsten Tag ging Mama mit mir nach dem Mittagessen zu den Jungen, von denen ich glaubte, dass sie das Auto genommen hatten. Mama kannte die nämlich oder die Mütter von denen. Beim zweiten Haus wurden wir fündig. Das Tretauto stand im Schuppen und die Mutter holte es heraus und gab es uns wieder. Dann zog sie ihrem Sohn so die Ohren lang, dass der heulte und schrie. Entschuldigen musste er sich auch noch, aber in seinen nassen Augen las ich schon, dass ich das irgendwann würde büßen müssen.
Oh, da kommt jemand! Ich stelle mich schlafend. Frank wird es sowieso nicht sein. Vielleicht ist es ja meine Schuld, dass Frank so traurig war, als er das letzte Mal da an der Tür gehockt hat. Vielleicht habe ich etwas gemacht, was er nicht mochte? Aber mir fällt nichts ein.
Kapitel 42
Früher
Es geht los! Ich bin so aufgeregt! Mama steht mit mir vor dem Haus. Gleich soll ein Bus kommen, mit dem ich abgeholt werde. Ich habe meinen neuen Rucksack auf dem Rücken. Da ist nur meine Puppe drin und was zu essen und zu trinken. Mein Koffer steht neben mir. Der ist schwer. Mama hat alles eingepackt, was auf der Liste steht. Tanja ist im Kindergarten und Sabine in der Schule. Nicht mehr lange, dann hat sie Sommerferien. Mama sagt, dass ich nach den Ferien in die Schule komme, wenn ich in der Kur alles mitmache. Ich bin ein bisschen traurig, aber vor allem kribbelt es ganz doll im Magen.
Da kommt der Bus! Es ist nicht so ein ganz großer, aber Mama hat gesagt, dass er uns nur bis zum Bahnhof fährt. Ich bin noch nie mit dem Zug gefahren! Mama darf nicht mitkommen. Sie hat auch keine Zeit, weil sie Essen kochen muss. Auf einmal wird mir ganz komisch. Ich will nicht wegfahren!
Eine Frau steigt aus dem Bus und begrüßt uns.
„Ich bin Frau Mahlberg“, sagt sie und gibt Mama die Hand.
„Wo ist denn dein Schild?“
Mama hängt mir ein Schild mit meinem Namen um den Hals. Da steht auch noch mehr drauf, aber das kann ich nicht lesen.
„Steig ein, es sind schon ein paar Kinder da“, sagt Frau Mahlberg. Ich will Mama noch einen Kuss geben, aber die Frau schiebt mich schon zur Tür.
„Wir müssen uns beeilen, sonst fährt der Zug ohne uns.“
Schon bin ich drin und soll mich setzen. Ich will ans Fenster! Ich will Mama noch winken! Aber da ist nichts mehr frei. Ich entdecke Karin. Die war auch bei der Schuluntersuchung. Ich kenne sie ein bisschen vom Fußball und sie wohnt nur ein paar Häuser weiter. Ihr Gesicht ist rot, als wenn sie geweint hätte. Ich setze mich zu ihr und sie hat wohl nichts dagegen. Der kleine Bus fährt los. Ich versuche noch einen Blick auf Mama zu erhaschen. Sie winkt uns
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