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Die Sünde in mir

Die Sünde in mir

Titel: Die Sünde in mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alegra Cassano
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hin. Frank verzog missbilligend den Mund.
    „Da habe ich wohl nicht aufgepasst. Danke, John.“
    Der Pfleger nickte und brachte die Spielfiguren zurück ins Spielzimmer, wo der Karton dazu stand.
    Frank blieb unschlüssig vor Nicoles Tür stehen. Er wollte nicht hineingehen. Sie hatte vorhin schon gemerkt, dass er anders war und sich nicht so benahm, wie sie ihn kannte. Er wollte sie nicht noch mehr irritieren. Vielleicht ging es morgen besser.
     
     
     
     
     
     
     
     

Kapitel 38
     
     
    Die sind hier so gemein! Nichts darf ich! Ich bin wahnsinnig wütend! Ich wollte ja gar nicht das ganze Spiel behalten, nur die beiden Figuren. Ich hätte sie auch wieder zurückgegeben. Ganz bestimmt. Ich weiß doch, wie blöd das ist, wenn etwas bei einem Spiel fehlt. Immer haben die Erwachsenen das Sagen. Immer bestimmen die, was ich machen soll und was ich haben darf. Ich will auch erwachsen sein, dann darf ich auch alles!
    Ich lege mich ins Bett und verstecke mich unter meinem Kissen. Vielleicht kommt ja gleich der große Mann wieder rein und nimmt mir das auch noch weg. Ich klammere mich daran fest. So einfach wie die Püppchen bekommt er das nicht! Ich habe sie mir doch nur auf die Fingerspitzen gesteckt, so wie immer. Zwei haben ja nicht gereicht, aber mehr konnte ich nicht herausnehmen, sonst wären nicht mehr genug da gewesen, um Halma zu spielen.
    Ich versuche ruhig zu atmen. Oma hat immer gesagt, wenn man sich aufregt, soll man ruhig atmen, bis in den Bauch. Ich fühle, wie meine Brust sich hebt und senkt, fühle die Rippen. Aber wie bekomme ich die Luft in den Bauch? Ich spanne den Bauch an, dass er ganz dick hervor steht. Dann lasse ich wieder locker und er sinkt nach innen. Ich sei zu dünn haben alle immer gesagt. Aber das stimmt nicht. Ich fühle mich gut so wie ich bin. Warum wollen die mich immer alle füttern? Sogar hier schimpfen sie, wenn ich nicht alles aufesse. Aber ich muss wenigstens nicht stundenlang in der Ecke stehen, wie in dem Kinderheim. Das war schlimm. Aber ich will gar nicht an das Heim denken.
    „Schlaf Kindchen, schlaf“, fange ich an zu summen. Schlaflieder sind schön. Oma hat mir immer ganz viel vorgesungen. Nur das mit dem Sandmännchen fand ich nicht so toll. Da habe ich mich immer gegruselt, wenn die Stelle kam: „Sandmännchen kommt geschlichen und schaut zum Fenster rein, ob irgend noch ein Kindchen nicht mag im Bettchen sein. Und wo es noch ein Kindlein fand, streut es ins Aug‘ ihm Sand.“
    Mein Lieblingslied war immer das mit: „Morgen früh, wenn Gott will, wirst du wieder geweckt.“ Einmal hat mein Cousin bei Oma geschlafen und sie hat uns beiden das Lied vorgesungen. Als Oma gegangen war, hat mein Cousin gefragt: „Und wenn Gott nicht will?“ Die Frage hatte ich mir noch nie gestellt. Ich zuckte die Schultern.
    „Dann bist du tot“, sagte er.
    Tot sein beschäftigte mich lange. Der andere Opa von meinem Cousin war nämlich gestorben und seit dem redete der nur noch vom Sterben. Ich konnte mir gar nicht so richtig vorstellen, was das war.
    „Du schläfst dann immer“, erklärte mir mein Cousin, der etwas älter war als ich.
    „Erst heulen alle, auch die Papas ein bisschen und dann ziehen sie schwarze Sachen an. Dann gehen sie so zum Friedhof und gucken den Sarg an. In der Kapelle darf man nicht sprechen, nur singen und es stehen da viele schöne Blumen. Mein Opa soll in dem Sarg gelegen haben. Der war auch in der Kapelle, aber da war ein Deckel drauf und auch Blumen und ich konnte den Opa nicht sehen. Dann haben sie den Sarg auf einem Wagen ganz lange über den Friedhof geschoben, bis zu einem Loch und da kam der dann rein und alle haben wieder geweint, aber auch gesungen. Ich durfte ein bisschen Sand auf den schönen Sarg werfen und meine Mama hat eine Blume für den Opa reingeworfen, obwohl da schon ganz viele schöne Blumen auf dem Sarg waren. Alle sind zu dem Loch gegangen und haben dasselbe gemacht wie wir. Dann haben sie uns die Hand gegeben und mir über den Kopf gestreichelt. Ich war ganz strubblig, obwohl Mama mich vorher so ordentlich gekämmt hatte. Dann sind wir noch alle Kaffee trinken gegangen und haben Kuchen und Brote gegessen. Dort durften wir auch spielen, aber leise und die Erwachsenen haben sich unterhalten und die waren dann auch gar nicht mehr so traurig und haben sogar gelacht und was von Opa erzählt.“
    Ich wusste, dass manche Menschen sterben. Meine Opas waren schon gestorben, bevor ich geboren wurde, deshalb habe ich die gar nicht

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