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Die Suendenburg

Die Suendenburg

Titel: Die Suendenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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auch nicht, als habe er vor, sie zu verschonen.
    Da fing die Heidin an, mit Händen und Füßen zu reden. Es war ein wenig mühsam, sie zu verstehen, aber schließlich ergab sich, dass Bilhildis sie irgendwann aus ihrem Gemach geholt und in den Vorraum des Bades gebracht haben musste. Dort war sie von ihr ausgekleidet und ins Bad geschubst worden, wo – wie sie uns verdeutlichte – nur ein einziges Öllämpchen brannte.
    »Und du bist ins Becken gegangen?«, fragte ich die Heidin, wobei ich die Frage gestisch darstellte.
    Sie bejahte dies. Nach etlichen Fragen und Nachfragen Baldurs ergab sich das Bild, dass die Ungarin sich langsam ins Becken hatte gleiten lassen, wo sie im Wasser, das ihr bis zum Hals stand, verharrte, auf den Kopf meines Vaters starrend, der sich jedoch nicht bewegte. Im Halbdunkel nahm sie an, er würde sie ebenfalls anstarren. Erst später hat sie gemerkt, dass sie mit einem Toten im Bad sitzt, und geschrien. Daraufhin war ich gekommen.
    Sollten wir ihr glauben? Tatsächlich stellte Baldur fest, dass die Öllampe leer war. Aber was besagte das schon? Die Ungarin hätte, nachdem sie Vater getötet hatte, das Öl ins Becken gießen können. Dass eine verschleppte Frau sich zunächst an den Beckenrand drückt und nicht von sich aus den ersten Schritt macht, erscheint mir verständlich. Dass eine verschleppte Frau den Mann, der sie verschleppt hat, bei erster Gelegenheit tötet, erscheint mir jedoch nicht weniger verständlich.
    Plötzlich fiel mir auf, dass der Pegel des ekelhaften Blutwassers im Becken sank. Zum Ablaufen gab es eine Vorrichtung in Form eines kleinen Kanals, der quer durch das Mauerwerk bis zur äußeren Burgmauer verlief und den wir – so wie das Bad und die ganze Burg – dem königlichen Geschlecht der Merowinger verdankten, das vor dreihundert Jahren hier gebaut, gelebt und gebadet hat und das vor bald zweihundert Jahren so elendiglich untergegangen ist. Man musste nur einen Hebel bedienen, und schon lief das Wasser langsam ab.
    »Wer hat den Hebel betätigt?«, fragte ich. »Du, Baldur? Die Ungarin vielleicht?«
    »Sie hat nichts angefasst«, sagte Baldur, »das weiß ich genau.«
    »Dann muss noch jemand hier gewesen sein, kurz bevor wir kamen. Anders ist es nicht zu erklären. Wie auch immer, gleich werden wir der Wahrheit einen kleinen Schritt näher gekommen sein.«
    »Wieso das?«
    »Falls die Ungarin Vater getötet hat«, sagte ich, »muss sie die Waffe irgendwo gelassen haben. Du sagst, sie war völlig nackt, als die Wachen hier eintrafen, also hatte sie die Waffe da schon nicht mehr bei sich. Ihr habt das Bad, den Vorraum und die Gänge vergeblich abgesucht. Und das nächste Fenster ist in Vaters Gemach, die Tierhaut wurde nicht abgenommen. Es gibt also nur einen Ort, wo die Waffe abgeblieben sein kann, und zwar das Becken.«
    »Angenommen, wir finden nichts. Was dann?«
    »In diesem Fall steht fest, dass die Ungarin nicht die Mörderin ist, denn wo soll sie die Waffe gelassen haben?«
    Baldur, die Heidin und ich starrten ins ablaufende Blutwasser, wo sich unsere Gesichter spiegelten, und wurden magisch vom Grund des Beckens angezogen, dem sich unsere Oberkörper langsam zuneigten, zehn, zwanzig, dreißig, vierzig Atemzüge lang.
    Da – ein Gegenstand. Zunächst nur ein Schemen, ein heller Schimmer wie ein kleiner Haufen Münzen auf dem Grund eines dunklen Brunnens, und dann sich verformend, deutlicher werdend, ein länglicher Gegenstand, ein silberner Griff, eine Klinge, ein ganzer Dolch. Die Waffe.
    Baldur, die Heidin und ich schwiegen. Ich beugte mich über den Beckenrand und fischte nach dem Dolch. Als ich ihn zu fassen bekam, durchzog mich ein Schauer. Ich bewegte mich nicht und war drauf und dran, das kalte Metall fallen zu lassen, doch es war nur ein kurzer Moment, dann zog ich den ausgestreckten Arm langsam zurück, richtete mich auf und betrachtete das Fundstück eingehend: Silbergriff, feine Ornamente, eine Inschrift, drei winzige blaue Edelsteine, eine schöne Arbeit.
    Ich war beinahe atemlos, denn ich hatte diese Waffe schon einmal gesehen.
    Ehe ich mich versah, hatte Baldur den Haarschopf der Ungarin mit der linken Hand ergriffen und schlug mit der flachen rechten Hand in ihr Gesicht. Die Heidin, halb benommen, blutete aus der Nase.
    »Gestehe!«, rief er, beschimpfte sie mit üblen Worten und schlug zu. Es war ein grauenhafter Anblick. Ich war völlig verdutzt. So hatte ich Baldur noch nie gesehen. Er war im Allgemeinen ein grober Klotz, der sich mit

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