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Die Sündenheilerin (German Edition)

Die Sündenheilerin (German Edition)

Titel: Die Sündenheilerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Metzenthin
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wieder.
    »Bin ich vielleicht eine Katze, die ihren Wurf selbst säugt?«
    »Ihr sprecht, als sei es ungehörig, ein Kind zu nähren. Dabei ist es doch gottgewollt, so wie die heilige Muttergottes ihren Sohn nährte.«
    Elises Finger verschlangen und lösten sich in immer schnelleren Abständen. »Bitte, lasst mich jetzt allein, Frau Helena. Eure Fragen verwirren mich.«
    Für einen kurzen Moment trafen sich die Blicke beider Frauen. Die Gräfin sah keineswegs verwirrt aus, es war vielmehr Verärgerung, die aus ihren Augen leuchtete.
    Langsam erhob Lena sich. »Wie Ihr wünscht. Wenn Ihr mich braucht, wisst Ihr, wo Ihr mich findet.«
    Die Gräfin schenkte ihr nicht einmal ein Nicken. Wieder starrte sie stumm zum Fenster hinaus, so als wäre sie schon allein in ihrer Stube.
    Erst als Lena draußen vor der Tür stand, merkte sie, dass ihre Hände sich zu Fäusten geballt hatten. Wie sollte sie einer Frau helfen, die allem Anschein nach gar keine Hilfe annehmen wollte? Doch in ihren Ärger mischte sich auch Scham. War es richtig gewesen, so schnell aufzugeben? Die Gräfin war abweisend, gewiss. Aber sie war auch eine kranke Frau. Womöglich war ihr Verhalten Ausdruck ihres Leidens.
    Lenas Fäuste lösten sich. Sie atmete tief durch, dann klopfte sie ein zweites Mal an die Tür der Gräfin.
    Elise schaute überrascht auf, als sie Lena erkannte. Doch diesmal schimmerte kein Ärger in ihren Augen.
    »Habt Ihr etwas vergessen, Frau Helena?«
    »Das habe ich«, antwortete Lena. Das Herz pochte ihr bis zum Hals. »Erlaubt Ihr mir einzutreten?«
    Die Gräfin nickte. Das Erstaunen milderte den Gram ihrer Züge auf wundersame Weise. Langsam trat Lena näher und setzte sich auf den Stuhl, von dem sie sich kurz zuvor erhoben hatte.
    »Ihr sagtet, ob ich bleibe oder gehe, was mache es aus. Es macht etwas aus, und deshalb bleibe ich.«
    »Ich bat Euch zu gehen.«
    »Ihr batet mit dem Mund, nicht mit dem Herzen. Ich erkannte es erst, als ich bereits vor der Tür stand. Vergebt mir meine Unwissenheit.«
    »Wie kommt Ihr darauf, mein Mund spreche anders als mein Herz?«
    »Ist es nicht so?«, fragte Lena.
    Wieder verschränkten sich die Finger der Gräfin unruhig ineinander, um sich dann sofort voneinander zu lösen. Lena musste sich bemühen, den Blick von Elises Händen abzuwenden und ihn stattdessen auf ihr Gesicht zu richten. Elise hatte schöne grüne Augen, doch in ihrer Tiefe wirkten sie seltsam leer. Das zornige Feuer von eben war nur noch ein schwaches Glimmen.
    »Was wollt Ihr wissen?«
    »Was wollt Ihr mir erzählen, Frau Elise?«
    »Ist es wichtig, was ich zu berichten habe?«
    »Gewiss. Es geht doch um Euer Heil.«
    »Wollt Ihr von meinem Sohn hören?«
    »Wenn Ihr von ihm sprechen wollt.«
    Elises Finger verhakten sich immer schneller ineinander.
    »Ich dachte, Ihr wolltet von ihm hören, weil Ihr nach ihm fragtet.«
    Ihre Stimme war so leise geworden, dass Lena sich vorbeugen musste, um sie zu verstehen.
    »Nein, Frau Elise, Ihr sollt nicht meine Fragen beantworten, denn ich bin nicht hier, um von Euch unterhalten zu werden. Ich bin hier, um für Euch da zu sein.«
    Die Finger der Gräfin verschlangen sich immer noch unruhig ineinander.
    »Dann sagt mir, was ich tun soll.«
    »Was liegt Euch am meisten auf der Seele?«
    Die Gräfin blickte geistesabwesend aus dem Fenster. »Ihr glaubt, dort draußen blühe der Frühling.« Sie seufzte leise. »Doch in Wahrheit ist es der Tod. Das Glück ist kurz und vergänglich wie die Apfelblüten, die vom Sturm gebrochen werden und niemals zur Frucht heranreifen. Nur das Leid währt ewig.«
    Eine Gänsehaut kroch Lena über den Rücken. »Seid Ihr die Apfelblüte?«, fragte sie beinahe schüchtern.
    Überrascht hob Elise den Kopf. »Nein.«
    »Was seid Ihr dann? Die reife Frucht? Der starke Stamm?«
    Der Blick der Gräfin wirkte verschleiert, doch er zeigte keine Spur von Tränen. »Ich bin das Möbelstück, das aus dem toten Holz geschreinert wurde.«
    Ihre Hände lagen nun ganz still im Schoß.
    Wann war das Glück verloren gegangen? Hatte Graf Dietmar nicht berichtet, kurz nach der Geburt des Kindes habe noch auf allem ein Segen gelegen?
    »Und welch ein Möbelstück seid Ihr?«
    »Was glaubt Ihr, Frau Helena?« Die Augen der Gräfin waren unergründlich.
    »Auf jeden Fall ein kostbares.«
    »So wie die Truhe dort hinten?«
    »Prächtig genug wäre sie.«
    Wieder herrschte Schweigen. Es war so still, dass sie das Rauschen des Waldes und der Bode hören konnten. Lenas Gefühl sagte

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