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Die Sündenheilerin (German Edition)

Die Sündenheilerin (German Edition)

Titel: Die Sündenheilerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Metzenthin
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schwand aus seinen Augen. »Sie schläft noch. So ist es danach immer. Vermutlich wird sie erst am späten Vormittag aufstehen.«
    »Wird sie dann in der Lage sein, mit mir zu sprechen?«
    Dietmar nickte. »Sie wird alles tun, um wieder gesund zu werden.«
    »Das Leiden begann nach der Geburt des Kindes?«, fragte Lena weiter.
    »Nicht gleich danach, erst einige Wochen später. Unmittelbar nach Rudolfs Geburt war uns noch, als liege auf allem, was wir taten, Gottes Segen. Doch dann wurde Elise erstmals von diesen Anfällen heimgesucht.« Seine Stimme war sehr leise geworden. »In letzter Zeit sind sie häufiger geworden, und es dauert länger, bis sie sich erholt.«
    Dietmars Hand grub sich tief in das Fell seines Hundes. Hasso schien zu spüren, was in seinem Herrn vorging. Er hob den Kopf, schaute ihn an und winselte leise. Für einen Moment trafen sich die Blicke von Herrn und Hund, als wären sie im gleichen Schmerz vereint. Auf seltsame Weise kam Lena sich ausgeschlossen vor. Nie zuvor hatte sie eine solche Vertrautheit zwischen Mensch und Tier beobachtet, obwohl ihr Vater selbst Hunde gehalten hatte. Aber das waren Gefährten bei der Jagd gewesen, nicht im Leid.
    Vom Wohnturm her näherte sich Herr Ewald. »Guten Morgen, Frau Helena«, grüßte er sie freundlich, um sich dann sofort dem Grafen zuzuwenden. »Herr Dietmar, ich muss dringend mit Euch sprechen.«
    »Jetzt sofort?« Dietmar ließ seinen Hund unvermittelt los. Ewald nickte.
    Graf Dietmar schenkte Lena einen letzten freundlichen Blick, dann begleitete er Ewald in eines der Wirtschaftsgebäude. Hasso lief ihnen nach, während Lena auf einmal das Gefühl hatte, der Morgen sei ohne das warme Lächeln des Grafen deutlich kälter geworden.
    Gute drei Stunden später saß sie das erste Mal der Gräfin in deren Kemenate gegenüber. Elises Wohnung lag ein Stockwerk über dem Prunkgemach des Grafen. Der Kamin war nicht so groß und prächtig und die Glut seit der Nacht nicht wieder entfacht worden, doch durch das Fenster fielen warme Sonnenstrahlen. In der Nähe des Kamins stand ein großes Himmelbett, gegenüber dem Fenster ein zierlicher Tisch und eine prächtig beschnitzte Truhe. Lena suchte nach Spuren eines Säuglings, doch nichts deutete darauf hin, dass die Gräfin eine junge Mutter war. Es gab keine Wiege, nicht einmal eine zierliche Handarbeit, an der sie arbeitete.
    An diesem Tag trug Elise ein dunkelrotes Kleid und eine gleichfarbige Haube, ähnlich gearbeitet wie jene, die sie am Abend zuvor aufgehabt hatte. Ungeachtet ihrer Schönheit wirkte Elise blass und in sich zusammengesunken wie eine welke Rose. Sie blickte Lena an, erwartungsvoll und gleichgültig zugleich. Nie zuvor hatte Lena so widersprüchliche Gefühle im Gesicht eines Menschen gelesen. Vergeblich suchte sie nach dem Lebensfunken in den Augen der Gräfin. War er verloschen? Nein, das konnte nicht sein, der göttliche Funke war in jedem lebenden Wesen vorhanden, auch wenn sie ihn nicht immer erkennen konnte.
    Sie wartete, ob die Gräfin das Wort an sie richten würde, doch Elise sah sie nur schweigend an.
    Lenas Mund wurde trocken. Sie schluckte einmal, dann beschloss sie, nicht länger zu zaudern.
    »Was erwartet Ihr von mir, Frau Elise?«
    »Nichts.« Die Stimme der Gräfin war kaum mehr als ein Flüstern. Mit jeder anderen Antwort hätte Lena gerechnet, aber nicht damit.
    »Die meisten Menschen erhoffen sich Linderung ihrer Leiden.«
    »Dann lindert es.« Herausfordernd hob Elise den Kopf. Ihre Seelenflamme war keineswegs verloschen. Fast wäre Lena zurückgezuckt. Ungefähr so musste es sich anfühlen, von einem Fehdehandschuh getroffen zu werden.
    »Ich kann nichts lindern. Heilung gibt es nur durch Gott.«
    »Deshalb erhoffe ich mir nichts von Euch.« Das Funkeln verschwand aus Elises Augen. Beinahe gelangweilt sah sie an Lena vorbei.
    »Dann soll ich gehen?«
    »Wenn Ihr wollt.«
    »Wollt Ihr es?«, beharrte Lena.
    »Es ist mir gleich. Bleibt oder geht, was macht es aus?«
    Ohne dass sie etwas dagegen tun konnte, spürte Lena Ärger in sich aufsteigen. Gleichzeitig schämte sie sich für ihre Gefühle. Die Frau vor ihr hatte ein schreckliches Leiden, sie verdiente Mitleid, keinen Zorn.
    »Wo ist Euer Sohn? Ich hätte geglaubt, seine Wiege hier zu sehen.«
    »Er ist bei seiner Amme. Sie vermag besser für ihn zu sorgen als ich.«
    »Ihr hattet keine Milch für ihn?«
    Ausdruckslos starrte Elise aus dem Fenster, ihre Finger verhakten sich unruhig ineinander und lösten sich

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