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Die Sündenheilerin (German Edition)

Die Sündenheilerin (German Edition)

Titel: Die Sündenheilerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Metzenthin
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ihr, dass sie die Gräfin jetzt nicht mit Fragen bedrängen durfte. Auch Elise schwieg, doch ihre Finger wurden wieder lebhafter. »Sie war ein Teil meiner Aussteuer«, sagte sie schließlich.
    Langsam erhob Elise sich und ging auf die Truhe zu. Fast zärtlich strichen ihre Finger über die edlen Schnitzereien, springende Hirsche unter hohen Bäumen.
    »Ich war fünfzehn, beinahe sechzehn, als ich die Herrin von Birkenfeld wurde. Ich hatte alles, was ich mir wünschte, Jugend, Gesundheit, einen stattlichen, fürsorglichen Gatten. Der Gatte allein ist mir geblieben, Jugend und Gesundheit sind dahin.«
    Lena trat hinter die Gräfin. »Ihr seid noch immer jung, Frau Elise.«
    »Mein Leben ist vorbei.« Sie sprach es so nüchtern aus, als hätte sie eine Bemerkung über das Wetter gemacht.
    »Und doch sehe ich Euch lebendig vor mir. Welcher Teil von Euch ist gestorben?«
    »Die Freude«, antwortete sie leise. »Und diesmal, Frau Helena, spricht mein Mund für mein Herz. Lasst mich jetzt allein, es war mehr, als ich für heute ertragen kann.«
    Die Schwere ihrer Worte legte sich wie ein bleierner Mantel um Lenas Schultern. Fast war sie erleichtert, das Gemach der Gräfin verlassen zu können.
    »Und, konntest du ihr helfen?« Schwester Ludovika sah Lena erwartungsvoll an. Gemeinsam saßen sie in Ludovikas Stube, wo Lena sich nach ihrer Begegnung mit Elise Stärkung erhoffte. Vor ihr stand ein Becher mit frischer Milch.
    »Ich weiß es nicht.« Nachdenklich ergriff Lena den Becher. »Ich habe so etwas noch nie erlebt. Für gewöhnlich kann ich das Leid der Menschen fühlen, es macht mich betroffen, ich möchte ihnen helfen. Aber bei Elise …« Sie trank einen Schluck. »Oh, du hast Honig in die Milch gemischt? Wie aufmerksam.«
    Ludovika nickte ungeduldig. »Was ist mit der Gräfin? Leidet sie nicht?«
    »O doch, aber in all ihrem Schmerz liegt auch eine seltsame Härte, die mein Mitleid in Zorn verwandelt, und dann schäme ich mich dafür.«
    »Du kannst auf eine Kranke zornig sein?« Überrascht zog Ludovika die Augenbrauen hoch. Lena nickte, dann erzählte sie von ihrem Gespräch mit Elise.
    »Die Gräfin erinnert mich an einen Hund, der aus Angst beißt, nicht aus Bosheit, doch der Biss schmerzt genauso«, meinte die Schwester, als ihre Freundin geendet hatte. »Sie tut mir leid, ich werde für sie beten, auf dass sie deine Hilfe erkenne und annehme.«
    »Dann bete auch gleich für mich, auf dass ich meine Geduld bewahre.«
    »Ist es so schlimm?«
    »Du weißt doch, mir fehlt deine Demut.«
    Das Gespräch mit Ludovika hatte nicht die ersehnte Erleichterung gebracht. Irgendetwas war anders als gewöhnlich. Ludovikas Erklärungsversuche über Elises Verhalten erschienen Lena unzureichend. Wie hatte Graf Dietmar gesagt? Seine Gemahlin tue alles, um gesund zu werden? Woher rührte dann die Angriffslust, die immer wieder in ihren Augen aufflammte und nur durch die Gemütsschwere überdeckt wurde?
    Lena brauchte dringend frische Luft, und so verließ sie den Turm. Die Sonne hatte ihre Bahn inzwischen fast vollendet und kündigte den nahenden Abend an. Draußen war das Gesinde noch immer mit dem Tagewerk beschäftigt. Lena verließ den inneren Hof und betrat die Vorburg. Bei Tageslicht konnte sie erkennen, was ihr in der Nacht zuvor verborgen geblieben war. Auf engstem Raum lebten Menschen wie in einem kleinen Dorf. Es gab sogar eine Schmiede, in der der Hammer auch jetzt noch auf dem Amboss tanzte. Neugierig trat sie näher und sah, wie der Schmied ein Eisen formte. Neben ihm hielt ein kleiner Knabe von vielleicht sieben Jahren einen großen Wallach am Zügel. Das braune Pferd ließ alles gleichmütig über sich ergehen.
    Noch während sie zusah, wie das Eisen angepasst wurde, hörte sie hinter sich ein Bellen. Beim Umdrehen erkannte sie Hasso. Er lief ihr schwanzwedelnd entgegen. Hinter ihm klapperten die Hufe eines Pferdes. Es war Graf Dietmar, der soeben von einem Ritt zurückkehrte. Vor seinem Sattel hing quer ein Rehbock.
    »Ihr hattet eine gute Jagd, Herr Dietmar?«
    Er lächelte ihr zu und sprang vom Pferd. »Das kann man so sagen, Frau Helena.« Dann nahm er Bogen und Köcher von der Schulter und hängte sie an den Sattel, bevor ein herbeigeeilter Knecht das Pferd fortführte.
    »Wie ist es Euch ergangen? Habt Ihr mit der Gräfin gesprochen?« Er musterte sie erwartungsvoll. Wie gern hätte sie ihm gesagt, es gehe seiner Gattin besser, doch alles, was sie zustande brachte, war ein stummes Nicken. Er deutete ihren

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