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Die Sünderin von Siena

Die Sünderin von Siena

Titel: Die Sünderin von Siena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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würde?«
    Mario sah ihn schweigend an. Schließlich senkte er den Kopf und nahm die Additionen von vorhin wieder auf.
    »Komm!«, sagte Bartolo, als er spürte, dass der Wein
    ihn ruhiger gemacht hatte, und nahm ihm die Feder aus der Hand. »Ich will dir etwas zeigen.«
    »Jetzt?«
    »Jetzt!«
    Er führte ihn in den hinteren Raum und ließ ihn die schwere Klappe aufziehen, die das Kellergewölbe verschloss, was dem Jungen nur unter größter Anstrengung gelang. Danach befahl er ihm, ein Öllicht anzuzünden. Bartolo stieg als Erster hinunter; Mario folgte ihm auf den engen Stufen in die Tiefe.
    Zuerst blieb er stumm, nahm alles in sich auf, ohne auch nur einen Ton von sich zu geben, als sie aber auf die ersten Gewürzsäcke trafen, stieß er einen Seufzer aus.
    »Das alles gehört dir?«, fragte er ehrfurchtsvoll.
    »Pfeffer«, sagte Bartolo, »Zimt, Anis und noch vieles andere mehr. Dort hinten lagern Muskat, Ingwer und Safran, und das ist, wie du bald lernen wirst, noch um einiges kostbarer als Gold.«
    Staunend lief der Junge zwischen den Gewürzsäcken, den Wein- und Ölfässern hin und her. Besonders angetan aber hatten es ihm die übereinander gelagerten Salzfässer im hintersten Teil, die er auf Anhieb erkannte.
    »Kufen, so heißen sie bei uns. Sind sie alle ganz gefüllt?«
    »Selbstverständlich. Aber woher weißt du das? Handelt dein Vater auch mit Salz? Damals hat er davon gesprochen, wenn ich mich recht erinnere. Aber das ist alles so lange her!«
    Mario schien zu zögern.
    »Wir haben gegenüber dem Salzstadel gewohnt«, setzte er schließlich zur Erklärung an, und es klang wie eine halbe Ausrede. »Da konnten wir jeden Tag sehen, wie die Kufen angeliefert und abtransportiert wurden.«
    »In Siena nennen wir sie cupe . Fällt dir etwas am Holz auf?« Innerlich rechnete Bartolo bereits mit einer abschlägigen Antwort.
    »Ich denke, ja. Es ist anders. Härter, richtig?«
    Bartolo nickte. »Ahornholz, teuer und schwierig aufzutreiben, aber dicht in der Struktur, ohne störende Ausdünstungen und schlicht und einfach das Allerbeste.«
    Die schmale Hand des Jungen betastete fast ehrfürchtig das Fass. »Salz darf nicht schwitzen, das ist wichtig. Sonst verliert es schnell an Qualität.«
    Bartolo wurde warm ums Herz. Was aus diesem Mario noch alles werden konnte, wenn er nur genug Geduld aufbrachte! Sogar der alte Luca würde staunen, hätte er erst einmal begriffen, welch ungeschliffenen Diamanten sie hier ins Haus bekommen hatten. Bartolo hatte seinen treuen Diener für ein paar Tage in die Crete geschickt, wo dessen Bruder einen Bauernhof besaß. Offiziell, damit er sich über die Osterzeit von seinem Gliederreißen erholen sollte, in Wirklichkeit jedoch, weil er das erste Zusammensein mit Mario ohne Störungen genießen wollte.
    Jetzt hatte der Junge die erste offene cupa entdeckt.
    »Darf ich?«, fragte er zu Bartolo gewandt.
    »Nur zu, bedien dich, mein Junge! Jeder Kaufmann sollte genau wissen, was er zu verkaufen hat.«
    Fast schüchtern, dann aber mutiger fasste Mario mit beiden Händen hinein und begann im Salz zu wühlen. Schließlich nahm er ein paar Körner, steckte sie sich in den Mund und kostete.
    »Das weiße Gold. So viel davon und alles so rein!« Schimmerten jetzt Tränen in seinen Augen? Bartolo war sich nicht ganz sicher. »Ich wünschte nur, mein Vater könnte jetzt hier sein!«
    Enea di Nero war der Erste, der an das Verkaufsfenster der Apotheke klopfte, und als Marconi nicht sofort öffnete, fiel sein Blick auf den blauen Delfin, der als Emblem der Contrade Onda neuerdings neben dem Eingang hing. Lapislazuli, auf behandelten Stein aufgebracht und mit einer Oberflächenhärtung gegen die Witterung unempfindlich gemacht, das erkannte er sofort mit Kennerblick, weil er früher einmal mit Mineralien gehandelt hatte. Und natürlich von allerfeinster Qualität. Typisch für Savo, selbst für dieses Detail nur das Kostbarste zu verwenden! Er war und blieb ein Mann der feinen Lebensart, jemand, für den das Beste gerade gut genug schien.
    Endlich hörte er Schritte, dann öffnete sich die Tür einen Spaltbreit.
    »Hat dich jemand gesehen?«, sagte der Apotheker, während er Enea einließ. »Du warst doch hoffentlich vorsichtig?«
    Mit raschen, fast tänzelnden Schritten ging er durch die Offizin voran, sein Heiligtum, in das er nur ungern Besucher führte. Die Wände bedeckten Regale voll unzähliger Fläschchen, Behältnisse und Krüge, in denen er die Ingredienzen für seine Medikamente

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