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Die Sünderin von Siena

Die Sünderin von Siena

Titel: Die Sünderin von Siena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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aufbewahrte. Getrocknete Pflanzenbündel hingen von der Decke und verbreiteten die verschiedenartigsten Gerüche. Dazu kamen kleine und größere Truhen, die zum Teil gestapelt auf dem Boden standen. Kein Sonnenstrahl durfte in diesen Raum dringen, um die Wirkung all der verschiedenartigsten Separanda und der noch um einiges wertvolleren Venea nicht zu beeinträchtigen. Marconis Lieblingsthema, über das er sich sonst stundenlang verbreiten konnte. Heute allerdings schien ihn anderes zu beschäftigen.
    »Wer sollte mich schon gesehen haben, zu dieser nachtschlafenden Zeit?«, erwiderte Enea. Er sah sich neugierig um. »Du hast deine Kreatur doch hoffentlich weggeschickt? Ich mag es nicht, wenn dieser grobe Kerl um uns herumschleicht!«
    Savo runzelte die Stirn, als sei ihm die Einmischung unangenehm.
    »Hab Leo an seinen früheren Dienstherrn ausgeliehen«, sagte er. »Mach dir keine Sorgen, er wird uns nicht stören! Mach dir lieber Sorgen über das, was du Bice sagst – am besten, du hättest die Frühmesse besucht.«
    »Bice hat seit zwei Tagen das Bett nicht mehr verlassen. Sie fiebert, klagt über stechende Bauchschmerzen.« Eneas Stimme klang dumpf. »Und leider quält sie mich mit vielen Fragen …«
    »Wir werden nach neuen Antworten suchen müssen. Und das schon sehr bald. Deine Frau ist zu klug, um sich auf Dauer mit Ausflüchten abspeisen zu lassen.« Er warf ihm einen prüfenden Blick zu. »Und was ist mit dir? Keinerlei Beschwerden?«
    Ein Kopfschütteln.
    »Du weißt aber, sie können jederzeit wieder auftreten. Dann musst du mich …«
    »Daran will ich jetzt nicht denken.« Enea di Nero nahm auf einem der einfachen Hocker Platz. »Domenico ist noch nicht da?«
    Es roch seltsam in der Offizin, das Durcheinander der Düfte von Kräutern, Essenzen, getrockneten Blüten und Gewürzmischungen stieg einem in den Kopf. In Eneas Augen herrschte hier ein einziges Chaos, das er nicht einen Tag lang ausgehalten hätte.
    »Er kommt gleich nach der Frühmesse, hat er gesagt. Unser Freund hat keine eifersüchtige Frau wie du, die jeden seiner Schritte überwacht, sondern stattdessen gleich eine ganze Gemeinde, die ihm am liebsten Tag und Nacht nachspionieren würde.« Sein Lächeln geriet dünn. »Da weiß ich doch, warum ich so gerne Witwer bin!«
    »Weshalb er uns wohl so eilig zusammenbestellt hat? Hast du eine Idee?«
    »Auf jeden Fall etwas Ernstes, nehme ich an. Denn nie zuvor hab ich seine akkurate Handschrift in solchem Aufruhr gesehen«, sagte der Apotheker.
    »Ach, du weißt doch, wie schnell Domenico den Kopf verlieren kann …«
    »Das ist er«, sagte Savo Marconi, als sie es ungestüm klopfen hörten. »Und er muss ordentlich gerannt sein, sonst könnte er noch nicht hier sein.«
    Binnen Kurzem kam er mit dem Kanonikus zurück. Prustend ließ Carsedoni sich auf einen Hocker fallen, der unter seinem Gewicht bedenklich ächzte.
    »Sie ist da!«, stieß er hervor. »Stellt euch das nur einmal vor! Ich hab sie gesehen.«
    »Wen hast du gesehen?«, fragte der Apotheker.
    »Sie. Sie!«
    »Du musst dich irren«, sagte di Nero. »Sie kann nicht hier sein. Nicht hier in Siena.«
    »Aber sie ist es! Kein Zweifel. Sie hat ihr Aussehen verändert, aber mich kann sie damit nicht täuschen. Sie ist es! Ich hab sie ganz genau erkannt!«
    »Und wenn es doch nur deine überhitzte Fantasie ist, die dir einen Streich gespielt hat?«, sagte Savo. »Du warst damals so traurig. Und hast schließlich am meisten von uns allen an ihr …«
    »Aber ich bin kein Idiot! Und ich weiß, was ich gesehen habe!«, begehrte Domenico auf.
    »Wir waren damals doch überall, haben jeden gefragt, der sie kannte. Nicht eine Menschenseele konnte uns sagen, wo sie abgeblieben ist. Sie war verschwunden, von einem Tag auf den anderen. Beinahe, als hätte die Erde sich aufgetan und sie verschluckt.« Savo war sehr blass geworden.
    »Dann hat die Erde sie jetzt wieder ausgespuckt. Und zwar genau auf unseren Domplatz, denn da saß sie gestern, inmitten von allen anderen Menschen, als sei es die normalste Sache der Welt.« Schweiß lief in Strömen über sein Gesicht, Schweiß, der auch sein blondes Haar dunkel gefärbt hatte, bis der Apotheker es nicht länger aushielt und ihm ein Tuch zuwarf, mit dem er sich abwischte. »Was, wenn sie plötzlich zu reden beginnt? Dann sind wir verloren, alle drei!«
    »Sie darf nicht reden«, sagte Savo. »Vorausgesetzt natürlich, du hast dich nicht doch getäuscht.«
    »Sie ist es – ich kenne jede einzelne

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